Grundgesetz - Berücksichtigung der sexuellen Identität in Artikel 3 GG

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
9.749 Unterstützende 0 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

9.749 Unterstützende 0 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2009
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

08.06.2017, 13:01

Hans-Werner Sperber

Grundgesetz

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 10.11.2011 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung

Mit der Petition wird die Änderung des Artikels 3 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz
gefordert.

Es wird vorgeschlagen, Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz (GG) dahingehend zu
ergänzen, dass niemand wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt oder
bevorzugt werden dürfe.

Zur Begründung wird angeführt, die fehlende Berücksichtigung des Merkmals der
sexuellen Identität wirke sich negativ auf die gesellschaftliche und rechtliche
Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Transsexuellen und
intersexuellen Menschen aus. Ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung
aufgrund der sexuellen Identität im Grundgesetz schaffe eine klare Maßgabe für den
einfachen Gesetzgeber.

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die eingereichten Unterlagen
der Petition verwiesen.

Die Petition wurde im Internet veröffentlicht und von 9.749 Unterstützern
mitgezeichnet.
gültige
434
im Internet
darüberhinaus
ihr wurden
Zu
Diskussionsbeiträge abgegeben.

Des Weiteren liegen dem Petitionsausschuss eine Reihe von Eingaben mit
verwandter Zielsetzung
einer
des Sachzusammenhangs
die wegen
vor,
gemeinsamen parlamentarischen Prüfung unterzogen werden.

Nach § 109 Absatz 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Bundestages hat der
Petitionsausschuss eine Stellungnahme des Fachausschusses einzuholen, wenn die

Petition einen Gegenstand der Beratung in diesem Fachausschuss betrifft.
Dementsprechend ist der Rechtsausschuss um Stellungnahme gebeten worden. Der
Rechtsausschuss hat nunmehr mitgeteilt, dass die Petition während der Beratungen
der Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 Satz 1) auf
den Drucksachen 17/88 (Gesetzentwurf der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Jerzy
Montag, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen), Drucksache 17/ 254 (Gesetzentwurf der Fraktion der SPD) und Drucksache
17/472 (Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Cornelia Möhring,
Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.)
vorgelegen hat. Die Gesetzentwürfe sahen vor, in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des
Grundgesetzes (GG) das Merkmal der sexuellen Identität einzufügen. Der
Rechtsausschuss hat diese Gesetzentwürfe in seiner 36. Sitzung am 09.02.2011
abschließend beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
deren Ablehnung empfohlen. Der mit der Petition verfolgten Forderung ist mit dieser
Beschlussempfehlung nicht entsprochen worden.

Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe eine Stellungnahme des zuständigen
Bundesministeriums
dem
Abstimmung mit
in
die
(BMJ),
Justiz
der
Bundesministerium des Innern erfolgte, eingeholt.

Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beratungen im Rechtsausschuss und
der eingeholten Stellungnahme lässt sich das Ergebnis der parlamentarischen
Prüfung wie folgt zusammenfassen:

W ie
sind
hat,
ausgeführt
zutreffend
rechtlich
und
sachlich
das BMJ
Ungleichbehandlungen aufgrund der sexuellen Identität bereits jetzt an den
allgemeinen Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 3 GG zu messen.

An eine auf die sexuelle Orientierung bezogene Ungleichbehandlung sind nach der
aktuellen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfG vom 7. Juli 2009
1 BvR 1164/07
- Hinterbliebenenrente
für
Lebenspartner)
sehr
strenge
Anforderungen zu stellen, weil an Persönlichkeitsmerkmale angeknüpft wird, die mit
denen des Artikels 3 Absatz 3 GG vergleichbar sind:

Ein strenger Kontrollmaßstab bei einer auf die sexuelle Orientierung bezogenen
Ungleichbehandlung, der sich dem bei anderen Diskriminierungsverboten geltenden
Maßstab annähert, entspricht auch der Rechtsentwicklung im Europarecht. Sowohl
Art. 13 EG wie Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
beziehen die sexuelle Ausrichtung in den Kreis der Diskriminierungsverbote ein.

Auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
(EGMR) werden für Unterscheidungen, die sich auf die sexuelle Orientierung
gründen, genauso ernstliche Gründe als Rechtfertigung gefordert, wie für solche,
die sich auf das Geschlecht gründen. (a.a.O. Rn. 87f.)

Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2009 zufolge verstößt
die bisherige Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft
bei der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen
Dienstes gegen Artikel 3 Absatz 1 GG.

Weiter hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 21.07.2010 1 BvR
611/07 festgestellt, dass die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener
Lebenspartnerschaft im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz in der bis zum
31.12.2008 geltenden Fassung mit Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar ist.

Des Weiteren bietet das geltende Recht sowohl supranational (Artikel 21 Absatz 1
EU-Grundrechtscharta) als auch durch einfach-gesetzliche Diskriminierungsverbote
(Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz,
§
9
Bundesbeamtengesetz,
§ 3
Soldatengesetz, § 19 SGB IV im Hinblick auf Sozialversicherungsleistungen) bereits
ein hohes Schutzniveau.

Durch das Lebenspartnerschaftsgesetz steht Personen gleichen Geschlechts, die
eine gemeinsame Lebensgestaltung mit gegenseitiger Fürsorge, Unterstützung und
Verantwortung anstreben, eine der Ehe vergleichbare Rechtsform zur Verfügung.
Eingetragene Lebenspartner werden im Familien- und Erbrecht
inzwischen
weitgehend wie Ehegatten behandelt; die Ausnahmen beschränken sich auf das
Adoptions- und Abstammungsrecht.

Das Gesetz zur Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht
auf Lebenspartnerschaften ist am 30.06. vom Bundestag beschlossen worden. Es
hat
im September den Bundesrat passiert. Das Gesetz sieht vor, ehebezogene
gesetzliche Regelungen im Recht des öffentlichen Dienstes des Bundes auf
Lebenspartnerschaften zu übertragen.

Nach dem Dargelegten vertritt der Petitionsausschuss die Auffassung, dass der mit
der Petition angestrebte Diskriminierungsschutz der sexuellen Identität bereits
rechtlich verwirklicht ist, einer ausdrücklichen Festlegung im Grundgesetz bedarf es
nicht.

Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Der von den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Antrag,
die Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen und den
Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, wurde mehrheitlich
abgelehnt.


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