07/23/2016, 04:23
Pet 3-18-11-2171-018644Hilfe für Menschen mit Behinderung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 07.07.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Die Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales –
als Material zu überweisen.
Begründung
Der Petent setzt sich dafür ein, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe für
behinderte Menschen nicht mehr abhängig vom Einkommen und Vermögen des
Antragstellers sind.
Der Petent legt im Einzelnen dar, dass nach aktueller Rechtslage die Gewährung von
Eingliederungshilfe vom Einkommen und Vermögen des Antragstellers abhängig sei.
Dabei werde auf die Grenzen der Sozialhilfe zurückgegriffen. Dies stelle jedoch eine
Diskriminierung behinderter Menschen dar. Kein behinderter Mensch könne etwas für
seine Behinderung. So könne es keinen Grund geben, behinderte Menschen zu
zwingen entweder in Armut zu leben oder sich selbst in eine solche Situation zu
bringen, da gegebenenfalls angespartes Vermögen aufgebraucht werden müsse. Es
werde behinderten Menschen damit quasi verboten, sich ein Vermögen aufzubauen
oder beispielsweise eine Eigentumswohnung oder ein Haus zu erwerben.
Zu dieser als öffentliche Petition zugelassenen Eingabe sind 12 Diskussionsbeiträge
und 111 Mitzeichnungen eingegangen. Die Diskussion verlief kontrovers.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
u. a. unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte
folgendermaßen zusammenfassen:
Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (Sechstes Kapitel des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch – SGB XII) ist eine Leistung der Sozialhilfe und damit eine
bedürftigkeitsabhängige Leistung. Das bedeutet, dass Sozialhilfe – und damit
Eingliederungshilfe – gewährt wird, wenn der behinderte Mensch den Bedarf nicht aus
eigenen Mittel (Einkommen, Vermögen) decken kann.
Der Petent geht offenbar davon aus, dass alle Menschen mit Behinderung auf
Sozialhilfe angewiesen seien. Dem ist aber nicht so.
Für diejenigen jedoch, die der Sozialhilfe bedürfen, stehen auch die umfangreichen
Leistungen der Eingliederungshilfe zur Verfügung, wie z. B. Hilfen zu angemessener
Schulbildung, zur Ausbildung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur
Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. In
zumutbarem Umfang wird dabei der Einsatz eigener finanzieller Mittel verlangt.
Ob und wenn ja, in welcher Höhe der Eigenanteil verlangt werden darf, richtet sich
jeweils nach dem Einzelfall. Der Einsatz des gesamten Einkommens ist regelmäßig
nicht möglich.
Den Betroffenen ist der Einsatz eigener finanzieller Mittel nicht zuzumuten, wenn ihr
monatliches Einkommen unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze liegt. Diese
Einkommensgrenze setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag (derzeit 2 x 399
Euro = 798 Euro), den einzelfallbezogenen angemessenen Kosten der Unterkunft und
den einzelfallbezogenen Familienzuschlägen (jeweils 70 Prozent von 399 Euro). Damit
soll sichergestellt werden, dass Menschen mit Behinderung und die übrigen Mitglieder
ihrer Einsatzgemeinschaft ausreichende eigene Mittel zur Bestreitung des
Lebensunterhalts behalten.
Übersteigt das Einkommen diese Einkommensgrenze, so sind bei der Festlegung des
Einkommenseinsatzes zu beachten: die Art des Bedarfs, die Art und Schwere der
Behinderung, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen und besondere
Belastungen der Personen der Einstandsgemeinschaft.
Zudem ist gesetzlich geregelt, dass schwerstpflegebedürftigen und blinden Menschen
ein Einsatz finanzieller Mittel von maximal 40 Prozent zuzumuten ist. Im Einzelfall ist
auch eine noch geringere Inanspruchnahme möglich.
Auch bei den Leistungen der Eingliederungshilfe (nach § 92 Abs. 2 SGB XII), wie z. B.
für eine angemessene Schulbildung oder zur Teilhabe am Arbeitsleben, gibt es die
Möglichkeit eines noch weiter gehenden Einkommens- und Vermögensschutzes für
behinderte Menschen: Dann wird die Eigenbeteiligung an den Kosten der im Einzelnen
aufgezählten Maßnahmen der Eingliederungshilfe auf die Kosten des
Lebensunterhaltes begrenzt. Für bestimmte in einer Einrichtung erbrachte Leistungen
werden dann die aufzubringenden Mittel auf die Höhe der häuslichen Ersparnis
beschränkt und vom Vermögenseinsatz ganz ausgeschlossen.
Mit allen diesen Möglichkeiten haben die Sozialhilfeträger einen sehr weiten
Entscheidungsrahmen für die Anrechnung des Eigenanteils.
Dies gilt ebenso für den Einsatz von Vermögen. Auch der freigelassene Barbetrag von
2.600 Euro ist nicht festgeschrieben, sondern kann angemessen erhöht werden, wenn
im Einzelfall eine besondere Notlage des Betroffenen besteht. Zudem darf die
Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung des Vermögens abhängig gemacht
werden, soweit es für die Betroffenen eine Härte bedeuten würde. In Rechtslehre und
Rechtsprechung wird dazu ausgeführt, dass diese Härteregelung auf atypische, d. h.
ungewöhnliche Fälle abstellt, bei denen aufgrund besonderer Umstände des
Einzelfalles (wie Art, Schwere und Dauer der Hilfe, Alter, Familienstand, sonstige
Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen) eine typische
Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung
des Hilfesuchenden – insbesondere wegen einer Behinderung – nachhaltig
beeinträchtigt ist.
Soweit die derzeitige Situation; es zeichnen sich jedoch neue Entwicklungen ab:
Zukünftig soll ausweislich des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD für
die 18. Wahlperiode die Eingliederungshilfe im Rahmen eines neu zu schaffenden
Bundesteilhabegesetzes zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt werden.
Die Eingliederungshilfe soll aus dem Fürsorgesystem herausgeführt und unter
Berücksichtigung der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) neu
ausgerichtet werden. Es soll zu Leistungsverbesserungen kommen, allerdings ohne
neue Ausgabendynamik (Finanzierungsvorbehalt). Insbesondere die Verbände der
Menschen mit Behinderung fordern – ebenso wie der Petent – einkommens- und
vermögensunabhängige Leistungen. Allerdings wurden noch keine belastbaren
Vorschläge zur Gegenfinanzierung vorgelegt.
Im Rahmen der Erarbeitung des neuen Bundesteilhabegesetzes prüft das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) derzeit die Sozialhilfevorschriften
über den Einsatz von Einkommen und Vermögen der Leistungsberechtigten und der
ihnen zum Unterhalt Verpflichteten. Erste Ansätze für neue Lösungen hat die
‚Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz‘ anlässlich ihrer Sitzung am 19. November 2014
entwickelt. (Die Arbeitspapiere und das Sitzungsprotokoll sind auf der Internetseite des
BMAS unter www.gemeinsam-einfach-machen.de veröffentlicht.) Eine abschließende
Bewertung der bisher entwickelten Handlungsoptionen – auch zum Einkommens- und
Vermögenseinsatz in der Eingliederungshilfe – erfolgt in der weiteren Erarbeitung des
Gesetzentwurfes für ein Bundesteilhabegesetz, das im ersten Entwurf im Frühjahr
2016 vorliegen soll.
Der Petitionsausschuss sieht es vor diesem Hintergrund als sinnvoll an, die
vorliegende Petition in die weiteren Überlegungen des BMAS zum
Bundesteilhabegesetz einzubringen, und empfiehlt daher, die Petition der
Bundesregierung – dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales – als Material zu
überweisen.
Begründung (PDF)