Hilfe für Behinderte - Rechtsanspruch auf einen Platz in der Werkstatt für behinderte Menschen

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
2.143 Unterstützende 2.143 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

2.143 Unterstützende 2.143 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2012
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

29.08.2017, 16:51

Pet 3-17-11-2171-034056Hilfe für Behinderte
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 27.06.2013 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Die Petentin setzt sich dafür ein, dass auch Menschen mit schwerer geistiger
und/oder mehrfacher Behinderung einen uneingeschränkten Rechtsanspruch auf
einen Platz in einer Werkstatt für behinderte Menschen erhalten und in die
Sozialversicherung und die berufliche Unfallversicherung aufgenommen werden.
Die Petentin legt im Einzelnen dar, dass derzeit Menschen mit schwerer geistiger
oder auch mehrfacher Behinderung fast automatisch in separaten Einrichtungen oder
Gruppen untergebracht würden (entsprechend § 136 Abs. 3 Neuntes Buch
Sozialgesetzbuch – SGB IX). Dies führe zu einer weiteren Ausgrenzung. Zudem
führe diese Praxis dazu, dass in diesen Einrichtungen oder Gruppen fast
ausschließlich Menschen zusammen kämen, die meist nicht sprechen, häufig nicht
mobil seien und einen sehr hohen Pflegeaufwand hätten. Die Kommunikation
untereinander, die ein elementares Grundrecht sei, sei damit kaum noch möglich und
ein positiver Einfluss auf die Entwicklung des Einzelnen entfalle. Diese Ausgrenzung
widerspreche den Grundsätzen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) (Art.
3, 19 und 24). Zudem seien die betroffenen Menschen durch die beschriebene
Vorgehensweise ausgeschlossen von den Möglichkeiten zur beruflichen Bildung und
dem ganzen so wichtigen Lebensbereich der Arbeit. Damit einher gehe auch ein
schlechter Rechtsstatus, da die Betroffenen keine arbeitnehmerähnliche
Rechtsbeziehung zur Werkstatt mit Lohnanspruch hätten, keiner
Sozialversicherungspflicht unterlägen und keinen Versicherungsschutz durch die
berufliche Unfallversicherung hätten.
Insgesamt sei der genannte § 136 Abs. 3 SGB IX nicht vereinbar mit der UN-BRK,
da das Wahlrecht der Betroffenen ausgeschlossen werde.

Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Eingabe hingewiesen.
Zu dieser als öffentliche Petition zugelassenen Eingabe sind
388 Diskussionsbeiträge und 2143 Mitzeichnungen eingegangen. Zudem haben den
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zwei weitere Eingaben gleichen
Inhalts erreicht, die wegen des Sachzusammenhangs in die parlamentarische
Prüfung einbezogen werden. Es wird um Verständnis gebeten, dass nicht auf alle der
vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.
Der Petitionsausschuss hat im Rahmen der parlamentarischen Prüfung zwei
Stellungnahmen der Bundesregierung eingeholt, deren erste der Petentin zur
Kenntnis gegeben wurde. Einwände und Äußerungen der Petentin dazu wurden
einbezogen und gewürdigt. Unter Berücksichtigung der Stellungnahmen sieht das
Ergebnis der parlamentarischen Prüfung folgendermaßen aus:
Der Petitionsausschuss legt Wert auf die Feststellung, dass Werkstätten für
behinderte Menschen (WfbM) Einrichtungen sind zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Daraus resultiert für die WfbM die Aufgabe, behinderten Menschen eine berufliche
Bildung und eine Beschäftigung anzubieten und dies zu einem ihrer Leistung
angemessenen Arbeitsentgelt (§ 135 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Aus dieser
Aufgabenstellung für die WfbM folgen Mindestanforderungen an die Personen, die
aufgenommen werden.
Die WfbM sind gedacht für Menschen, die am Arbeitsleben teilhaben können, dieses
Recht wegen der Art und Schwere ihrer Behinderung jedoch nicht auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt verwirklichen können. Gemäß der Aufgabe der WfbM ist
Voraussetzung für die Aufnahme dort, dass der jeweilige behinderte Mensch
voraussichtlich – nach der Maßnahme zur beruflichen Bildung – wenigstens ein
Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen kann. Dabei ist kein
bestimmtes Ausmaß einer Arbeitsleistung in Quantität oder Qualität festgelegt,
sondern es reicht aus, dass der behinderte Mensch nach der beruflichen Bildung dort
in der Lage ist„ „irgendwie am Arbeitsauftrag der Werkstatt mitzuwirken und er an der
Herstellung und Erbringung der […] Waren und Dienstleistungen durch nützliche
Arbeit beteiligt werden“ kann. So formulierte es das Bundessozialgericht (BSG) am
7. Dezember 1983 (Az: 7 RAr 72/83). Dies bedeutet, dass die Anforderungen an eine
„Teilhabefähigkeit“ - hier im Sinne von „Werkstattfähigkeit“ - sehr gering sind.
Behinderte Menschen, die aufgrund erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung –
trotz angemessener Betreuung – oder aufgrund der Intensität von Betreuung und

Pflege weder an Maßnahmen in Berufsbildungsbereich teilnehmen können noch zu
einem Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung befähigt werden
können, sollen in Einrichtungen oder Gruppen betreut werden, die der Werkstatt
angegliedert sind. Dies beschreibt und kritisiert die Petentin in ihrer Eingabe. Dabei
schenkt sie jedoch dem Umstand keine Beachtung, dass die WfbM aufgrund der
oben dargelegten Aufgabenbeschreibung als Einrichtungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben gegenüber diesen behinderten Menschen keine Aufgabe zu erfüllen
haben.
Entgegen den Vorstellungen der Petentin werden behinderte Menschen mit dem
Eintritt in die Einrichtungen, die den Werkstätten angegliedert sind, nicht diskriminiert
und die Grundsätze der Artikel 3, 19 und 24 der UN-BRK werden nicht verletzt. Sie
erhalten dort in den Einrichtungen ebenfalls Leistungen, nämlich Leistungen zur
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
Artikel 27 (Arbeit und Beschäftigung) der UN-BRK fordert nicht, dass die
Grenzziehung zwischen der Teilhabe am Arbeitsleben und der Teilhabe am Leben in
der Gemeinschaft aufgegeben werden soll. Dort heißt es: „Die Vertragsstaaten
anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit.“ Daraus
ist nicht ableitbar, dass behinderte Menschen, die zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht
befähigt sind, einen Anspruch auf Aufnahme in eine WfbM haben, um dort
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erhalten. Sie erhalten in den
Einrichtungen – wie dargelegt – jedoch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft. Das in Art. 27 normierte „gleiche“ Recht setzt voraus, dass die
Grundlagen zur Leistung von wirtschaftlich verwertbarer Arbeit in dem für WfbM
festgelegten Rahmen überhaupt vorhanden sind. Unter dieser Voraussetzung
besteht das Recht nach Art. 27, wonach die behinderten Menschen nicht
benachteiligt werden dürfen.
Der von der Petentin zu Recht vorgetragene grundlegende Gedanke der Inklusion
wird vom Petitionsausschuss bejaht und auch im Nationalen Aktionsplan der
Regierung zur Umsetzung der UN-BRK in Deutschland als Schlüsselbegriff gesehen.
Die Inklusion der behinderten oder schwerbehinderten Menschen ist jedoch nicht
abhängig von einer Modifizierung des Konzeptes der WfbM. Der Nationale
Aktionsplan sieht vielmehr u. a. vor,
- bis zu 10.000 schwerbehinderte Jugendliche zwei Jahre lang intensiv auf das
Berufsleben vorzubereiten,

- auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 1300 neue betriebliche Arbeitsplätze für
behinderte Jugendliche zu schaffen, was einem Zuwachs von 25 Prozent
entspräche, und
- 4000 neue altersgerechte Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen (älter
als 50 Jahre) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen.
(Siehe dazu auch unter:www.bmas.de/DE/Themen/Schwerpunkte/NAP/inhalt/html
und unter:www.bmas.de/sharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a187-
nip.pdf?_blob=publicationFile)
Der Petitionsausschuss sieht keine Möglichkeit, dass die Vorstellungen der Petentin
hinsichtlich der WfbM, denen ein anderes Konzept zugrunde liegt, realisiert werden
können und empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem
Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Der von den Fraktionen der SPD, DIE LINKE. und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gestellte Antrag, die Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium für
Arbeit und Soziales – als Material zu überweisen und den Fraktionen des Deutschen
Bundestages zur Kenntnis zu geben, ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Begründung (PDF)


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