06.07.2016, 12:17
Pet 1-18-06-1021-007916
Mehrstaatigkeit
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 28.01.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird die Beibehaltung der bisherigen Optionsregelung gefordert, um
eine stärkere Ausweitung der Mehrstaatigkeit zu verhindern.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss eine auf der Internetseite des
Deutschen Bundestages veröffentlichte Eingabe mit 342 Mitzeichnungen und
42 Diskussionsbeiträgen sowie mehrere Eingaben mit verwandter Zielsetzung vor, die
wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen parlamentarischen Prüfung
unterzogen werden. Der Petitionsausschuss bittet um Verständnis, dass nicht auf alle
der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das
bislang geltende Optionsmodell bewährt habe und beizubehalten sei. Die geplante
Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes führe zu einer bedingungslosen
doppelten Staatsbürgerschaft, welche nicht die Integration fördere, sondern vielmehr
die Entstehung von Parallelgesellschaften ermögliche und verfestige. Die deutsche
Staatsangehörigkeit müsse das jedoch das Ergebnis gelungener Integration sein, nicht
die Voraussetzung hierfür. Die doppelte Staatsbürgerschaft sei mit einer Vielzahl von
Problemen verbunden, so z. B. mit der mehrfachen Ausübung des Wahlrechts.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen. Zudem hat der Petitionsausschuss gemäß § 109 Abs. 1
Satz 2 GOBT eine Stellungnahme des Innenausschusses eingeholt, dem der
Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes“ (Drucksache 18/185 (neu)), der Antrag
der Fraktion DIE LINKE. „Für ein fortschrittliches Staatsangehörigkeitsrecht“
(Drucksache 18/286), der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. „Entwurf eines
Gesetzes über die Aufhebung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht“
(Drucksache 18/1092) sowie der Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines
Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes“
(Drucksachen 18/1312, 18/1759) zur Beratung vorlagen und der am 23. Juni 2014
eine öffentliche Anhörung hierzu durchführte.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Einbeziehung der seitens
der Bundesregierung sowie des zuständigen Fachausschusses angeführten Aspekte
wie folgt zusammenfassen:
Der Petitionsausschuss macht zunächst darauf aufmerksam, dass die mit der Eingabe
vorgetragene Thematik der Mehrstaatigkeit in der 17. und 18. Wahlperiode
Gegenstand zahlreicher Fragen, Anträge und Gesetzentwürfe in den verschiedenen
Gremien des Deutschen Bundestages war und dort intensiv diskutiert wurde (vgl.
hierzu neben den oben bereits genannten Initiativen auch die Drucksachen 17/542,
17/7654, 17/8268, 17/12321, 17/12185, 17/13483, 17/13488, 18/1173, 18/1369,
18/2126 und 18/2579 sowie die Plenarprotokolle 17/18, 17/23, 17/158, 17/224, 17/230,
17/242 und 17/250). Alle erwähnten Dokumente können über das Internet unter
www.bundestag.de eingesehen werden.
Der Petitionsausschuss stellt fest, dass der 18. Deutsche Bundestag in seiner
46. Sitzung am 3. Juli 2014 den o. g. Gesetzentwurf der Bundesregierung auf
Drucksache 18/1312 in der Fassung der Beschlussempfehlung des
Innenausschusses (Drucksache 18/1955) angenommen sowie den Gesetzentwurf der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 18/185 (neu), den Antrag der
Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache 18/286 und den Gesetzentwurf der Fraktion
DIE LINKE. auf Drucksache 18/1092 abgelehnt hat (vgl. Plenarprotokoll 18/46).
Das am 20. Dezember 2014 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des
Staatsangehörigkeitsgesetzes (BGBl I S. 1714) bezieht sich nur auf Deutsche, die als
Kinder ausländischer Eltern durch ihre Geburt in Deutschland (ius soli) nach § 4 Abs. 3
Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) oder der entsprechenden Übergangsregelung des
§ 40b StAG die deutsche neben der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern erworben haben.
Diese sind nach der Neuregelung von der bisher bestehenden Optionspflicht befreit,
wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind.
In Deutschland aufgewachsen ist danach, wer in Deutschland einen Schul- oder
Berufsausbildungsabschluss erworben hat oder sich bis zur Vollendung seines
21. Lebensjahres mehr als acht Jahre in Deutschland aufgehalten oder sechs Jahre
eine Schule in Deutschland besucht hat. Ergänzend hierzu ist nach einer sogenannten
„Härtefallregelung“ auch derjenige von der Optionspflicht befreit, der im Einzelfall einen
vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und für den die Optionspflicht nach den
Umständen des Falles eine besondere Härte bedeuten würde.
Die neue gesetzliche Regelung gilt für alle Betroffenen, deren Optionsverfahren zum
Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes nicht bereits durch den Verlust der
deutschen Staatsangehörigkeit oder die Aufgabe der ausländischen
Staatsangehörigkeit aufgrund der früheren Regelung abgeschlossen ist. Wer nach
altem Recht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren oder die andere
Staatsangehörigkeit zugunsten der deutschen Staatsangehörigkeit aufgegeben hat
und nach neuem Recht nicht optionspflichtig wäre, kann wieder eingebürgert werden
oder vor Wiedererwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit eine
Beibehaltungsgenehmigung erhalten.
Der Ausschuss hebt hervor, dass mit der Befreiung von der Optionspflicht und der
Hinnahme von Mehrstaatigkeit der besonderen Situation der in Deutschland
aufgewachsenen lus-soli-Deutschen, die seit ihrer Geburt sowohl die deutsche als
auch die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern besitzen und enge Bindungen an
Deutschland entwickelt haben, Rechnung getragen werden soll. Ihnen, die sich in der
Regel gut integriert haben und loyal zu Deutschland stehen, soll die nicht immer
einfache Entscheidung zwischen mehreren Staatsangehörigkeiten erspart bleiben.
Bei den nicht in Deutschland aufgewachsenen lus-soli-Deutschen bleibt es indes
weiterhin bei der Optionspflicht.
Ebenso bleibt es auch bei ausländischen Staatsangehörigen, die sich um die deutsche
Staatsangehörigkeit bewerben, bei dem geltenden Grundsatz der Vermeidung von
Mehrstaatigkeit, um damit einhergehende Probleme zu vermeiden. Mehrstaatigkeit
beeinträchtigt die Rechtssicherheit insofern, als streitig werden kann, nach welcher der
betroffenen Rechtsordnungen ein bestimmtes Rechtsverhältnis zu beurteilen ist. Sie
führt zum Widerstreit von Pflichten gegenüber verschiedenen Staaten und
Rechtsordnungen, z. B. hinsichtlich der Ableistung der Wehrpflicht. Der diplomatische
und konsularische Schutz im Ausland, insbesondere im Verhältnis zum Heimatstaat,
ist eingeschränkt. Eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit ist hier nur
unter den Voraussetzungen des § 12 StAG möglich.
Vor diesem Hintergrund vermag der Petitionsausschuss nach umfassender Prüfung
der Sach- und Rechtslage aus den oben dargestellten Gründen die mit der Petition
geforderte Beibehaltung der bisherigen Optionsregelung nicht zu unterstützen. Er
empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht
entsprochen werden konnte.
Begründung (pdf)