21.07.2016, 04:22
Pet 3-18-05-053-023694Abrüstung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 07.07.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition soll der Abzug aller auf deutschem Boden stationierten Atomwaffen
erreicht werden.
Der Petent führt insbesondere aus, dass mit der fortlaufenden Praxis der nuklearen
Teilhabe Deutschlands bewusst gegen den Vertrag über die Nichtverbreitung von
Atomwaffen verstoßen werde. Indem sogar einer Modernisierung dieses in
Deutschland stationierten Atomwaffenpotentials zugestimmt werde, heize
Deutschland die Anspannungen mit Russland weiter an und führe das Land
geradewegs in eine neue Phase eines kalten Krieges mit Russland. Atomwaffen
stellten keine vernünftige verteidigungspolitische Option dar.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt. Es gingen 528 Mitzeichnungen sowie
14 Diskussionsbeiträge ein. Weiterhin gingen 301 unterstützende Unterschriften auf
dem Postweg ein.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.
Der Petitionsausschuss hat zu dem Anliegen eine Stellungnahme des Auswärtigen
Amtes (AA) eingeholt. Unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme stellt sich das
Ergebnis der parlamentarischen Prüfung wie folgt dar:
Zunächst weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass eine Rechtsverletzung
dadurch, dass die Möglichkeit der Stationierung von Atomwaffen in Deutschland
besteht, nicht vorliegt. Vielmehr existiert keine allgemeine Regel des Völkerrechts,
wonach Atomwaffen per se verboten sind. Dementsprechend ist das
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 22. November 2001 (Az. 2 BvE 6/99)
zum damaligen strategischen Konzept der NATO ersichtlich davon ausgegangen,
dass kein Verbot bezüglich der Lagerung von Atomwaffen oder auch deren Einsatz zu
Zwecken der Abschreckung besteht. Sonst hätte das Gericht die auf der nuklearen
Abschreckung beruhende Strategie nicht billigen können. Der Ausschuss stellt daher
fest, dass allein durch eine etwaige Lagerung von Atomwaffen kein Verstoß gegen das
Verbot des Angriffskrieges oder gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot festgestellt
werden kann.
Weiterhin weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass in dem Vertrag über die
abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland, dem so genannten Zwei-plus-
Vier-Vertrag, u. a. festgeschrieben ist, dass Kernwaffen und ausländische Truppen
zwar auf ostdeutschem Gebiet nicht stationiert oder dorthin verlegt werden dürfen.
Darüber hinaus wird jedoch das Recht des vereinten Deutschlands, Bündnisse mit
allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten einzugehen, von diesem Vertrag
nicht berührt.
Darüber hinaus betont der Ausschuss, dass auch eine Verletzung des
Atomwaffensperrvertrags durch die Bundesrepublik Deutschland nicht zu erkennen ist.
Mit einer etwaigen Lagerung von Atomwaffen in Militäreinrichtungen der NATO-
Verbündeten wäre keine Verfügungsgewalt deutscher Streitkräfte über diese Waffen
verbunden. Alle maßgeblichen Entscheidungen würden in diesen Fällen vielmehr die
Streitkräfte der Verbündeten zu treffen haben.
Zudem stellt die in der NATO praktizierte nukleare Teilhabe keine Verletzung der
vertraglichen Verpflichtungen aus dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) dar.
Entscheidendes Kriterium des NVV ist das Verbot der Weitergabe von Kernwaffen
oder sonstigen Kernsprengkörpern oder die Verfügungsgewalt hierüber an
Nichtkernwaffenstaaten. Gerade eine solche Weitergabe von Nuklearwaffen oder
Verfügungsgewalt findet im Rahmen der nuklearen Teilhabe der NATO aber nicht statt.
Die angesprochene Nutzungsdauerverlängerung des US-Nukleararsenals ist eine
nationale Entscheidung der USA. Die USA wollen damit nicht zuletzt auch
sicherstellen, dass Nuklearwaffen, solange sie benötigt werden, den höchsten
Sicherheitsstandards entsprechen. Die Nutzungsdauerverlängerung ist von den USA
in ihrer öffentlich zugänglichen „Nuclear Posture Review 2010" festgelegt.
Das Nutzungsdauerverlängerungsprogramm (sog. „life extension program") für die
US-Atomwaffen folgt unverändert dem Grundsatz, dass keine neuen Einsatzzwecke
oder - fähigkeiten geschaffen werden. Es gibt keine neuen grundsätzlichen Beschlüsse
hierzu und es werden auch keine neuen Nuklearwaffen in Deutschland stationiert.
Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung bleiben dem Ziel einer
nuklearwaffenfreien Welt verpflichtet und setzen sich dafür ein, dass zwischen den
USA und Russland Verhandlungen zu weiterer nuklearer Abrüstung beginnen. Nur
erfolgreiche Abrüstungsgespräche zwischen Washington und Moskau schaffen die
Voraussetzung für einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten
taktischen Atomwaffen.
Als Mitglied der NATO hat Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Bündnis zu
berücksichtigen. Die Entscheidung über einen möglichen Abzug der US-
Nuklearwaffen aus Europa wird im Bündnis im Konsens gefällt. Der
Petitionsausschuss begrüßt in diesem Zusammenhang, dass auf Initiative der
Bundesregierung die NATO mit Russland, das über deutlich mehr nichtstrategische
Nuklearwaffen verfügt, in einen Dialog eintreten wollen. Auf dieses Angebot ist bisher
von der russischen Seite keine Reaktion erfolgt.
Der Petitionsausschuss sieht vor diesem Hintergrund keine Möglichkeit, sich für die
Petition einzusetzen. Der Petitionsausschuss empfiehlt deshalb, das
Petitionsverfahren abzuschließen, da dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Der von den Fraktionen DIE LINKE. und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte
Antrag, die Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, ist
mehrheitlich abgelehnt worden.
Begründung (PDF)