11/08/2016 à 04:22
Pet 2-18-08-610-024754
Steuerrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 07.07.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.
Begründung
Der Petent fordert die Einführung einer Steuerreform zugunsten der Gemeinden,
damit diese ihre gesamtstaatlichen Aufgaben erledigen können.
Eine Steuerreform erachtet der Petent in den folgenden Bereich für erforderlich:
- eine Neubelebung der sozialen Marktwirtschaft im Sinne einer stärkeren
steuerlichen Einbeziehung der Reichen, die sich in der Globalisierung immer
höhere Steuervorteile zu Lasten der übrigen Bevölkerung verschafft hätten,
- eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern,
- eine Entschuldung der Kommunen durch eine höhere Zuweisung aus dem
Gesamtsteueranteil.
Weiter wird ausgeführt, die gegenwärtig zu verzeichnende Überschuldung der
Kommunen sei vom Bund durch gesetzliche Vorgaben mitverschuldet worden. Dies
stellte das größte Problem im Sozialstaat dar und werde gerade jetzt im Rahmen der
Anstrengungen zur Bewältigung der Herausforderungen durch die Flüchtlingswelle
deutlich. Der Petent macht eine Reihe von Vorschlägen, wie den von ihm erkannten
Missständen entgegengewirkt werden kann (Erhöhung der Zuweisungspauschale an
die Gemeinden aus der Einkommensteuer, Splittung dieser Zuweisung, wenn der
Arbeitnehmer nicht am Arbeitsort wohnt, bedarfsgerechtere Zuweisung von
Finanzmitteln an die Kommunen in Abhängigkeit von deren konkreter
Aufgabenbelastung).
Zu den Einzelheiten des Vorbringens wird auf die vom Petenten eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe ist auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlicht
worden. Es gingen 44 Mitzeichnungen sowie 9 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Gesichtspunkte
wie folgt zusammenfassen:
Soweit der Petent eine stärkere steuerliche Einbeziehung der Reichen fordert, stellt
der Petitionsausschuss fest, dass das Einkommensteuerrecht in Deutschland auf
dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen und finanziellen
Leistungsfähigkeit basiert (Artikel 3 Grundgesetz – GG). Dies bedeutet, dass jeder
nach Maßgabe seiner individuellen wirtschaftlichen und finanziellen
Leistungsfähigkeit zur Finanzierung staatlicher Leistungen herangezogen wird. Die
tarifliche Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen wird unter
Anwendung eines progressiven Einkommensteuertarifs ermittelt. Hierdurch steigt die
tarifliche Steuerbelastung mit steigendem steuerpflichtigem Einkommen. Menschen
mit einem niedrigen Einkommen werden steuerlich weniger belastet. Wer mehr
verdient, muss einen größeren Teil seines Einkommens an den Fiskus abführen. Der
Steuersatz für besonders hohe Einkommen beträgt ab einem zu versteuernden
Einkommen von 250.730,00 Euro (501.460,00 Euro für Verheiratete) 45 Prozent auf
jeden zusätzlich verdienten Euro. Als Folge des Systems der progressiven
Besteuerung erbringen die einkommensstärksten 10 Prozent der Steuerzahler einen
Anteil von mehr als 55 Prozent des Einkommensteueraufkommens und tragen damit
entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit überproportional zum Steueraufkommen bei.
Im internationalen Vergleich der Spitzensteuersätze ist Deutschland im oberen
Mittelfeld angesiedelt. Dies bedeutet, dass bereits heute die sogenannten
"Besserverdienenden" durch die Einkommensteuer in sehr viel stärkerem Maße zur
Finanzierung von Staatsausgaben herangezogen werden als die breite Masse der
Steuerzahler.
Soweit der Petent für eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und
Ländern eintritt, ruft der Petitionsausschuss in Erinnerung, dass mit Ablauf des
31. Dezember 2019 die Regelungen zum bundesstaatlichen Finanzausgleich (die
Regelungen zur Verteilung der Mittel aus dem Solidarpakt II) auslaufen. Insgesamt
ist es deshalb erforderlich, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu zu ordnen.
Bund und Länder werden gemeinsam Grundlagen für Vereinbarungen zu Fragen der
föderalen Finanzbeziehungen erarbeiten. Ziel der Bundesregierung ist es, noch in
dieser Legislaturperiode zu einem Ergebnis zu kommen, das den Interessen des
Bundes und der Länder gerecht wird und den Föderalismus insgesamt stärkt. Bei der
Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen sollen sowohl die vertikalen
Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern (unter anderem die Verteilung der
Steuereinnahmen) als auch die horizontalen Finanzbeziehungen unter den Ländern
modernisiert werden.
Mit Blick auf das vorgetragene Petitum einer Entschuldung der Kommunen durch
eine höhere Zuweisung aus dem Gesamtsteueranteil weist der Petitionsausschuss
zunächst darauf hin, dass nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
die Städte, Gemeinden und Landkreise Teil des jeweiligen Landes sind. Damit liegt
die Zuständigkeit für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen bei den
Ländern. Im kommunalen Finanzausgleich besitzen sie das dafür geeignete
Instrument, um Finanzlage und Finanzbedarf jeder einzelnen Kommune in Einklang
zu bringen. Zudem sind die Länder durch ihr Mitwirken im Bundesrat unmittelbar an
der Gestaltung der gesetzlichen Vorgaben beteiligt.
Des Weiteren stellt der Petitionsausschuss fest, dass der Bund keine direkten
Finanzbeziehungen zu den Kommunen unterhält. Seine Zuständigkeiten
beschränken sich im Bereich der kommunalen Steuereinnahmen auf die Regelungen
zu den Verteilungsschlüsseln für den Gemeindeanteil an der Einkommen- und der
Umsatzsteuer sowie auf die bundesgesetzlich geregelte Grundsteuer und
Gewerbesteuer.
Die Säulen der kommunalen Steuereinnahmen setzen sich aus der Gewerbesteuer,
der Grundsteuer sowie aus der Beteiligung an der Einkommensteuer zusammen.
Über die Gewerbesteuer leistet die Wirtschaft ihren finanziellen Beitrag zur Erfüllung
der kommunalen Aufgaben am Betriebsstättensitz. Die Grundsteuer stellt auf das im
Inland liegende Grundvermögen ab und betrifft unmittelbar oder mittelbar alle
Einwohner einer Kommune.
Weiterhin werden die Gemeinden am Aufkommen der am Wohnsitz anfallenden
Einkommensteuer beteiligt. Die Beteiligung am Aufkommen an der
Einkommensteuer erfolgt jedoch nicht – wie vom Petenten vermutet – durch eine
Pauschale pro Einwohner. Die Gemeinden erhalten nach § 1
Gemeindefinanzreformgesetz 15 Prozent des Aufkommens an Lohn- und veranlagter
Einkommensteuer und 12 Prozent des Aufkommens aus dem Zinsabschlag. Dieser
Gemeindeanteil an der Einkommensteuer wird von jedem Bundesland nach einem
bestimmten Verteilungsschlüssel auf die einzelnen Gemeinden seines Gebietes
aufgeteilt, wobei nicht das gesamte Steueraufkommen in einer Gemeinde zugrunde
gelegt wird, sondern nur die auf zu versteuernden Einkommen bis zu bestimmten
Höchstbeträgen entfallenden Steuereinnahmen. Dadurch werden kommunale
Aufkommensunterschiede abgemildert.
Eine weitere Stärkung der Betriebsstättengemeinden durch eine bestimmte
Zerlegung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer erscheint dem
Petitionsausschuss als nicht geboten. Dies gilt umso mehr, als der Gemeindeanteil
an der Umsatzsteuer nach betriebsstättenbezogenen Kriterien auf die Gemeinden
verteilt wird. Die Steuereinnahmen der Kommunen sind allgemeine Deckungsmittel
und dienen der Finanzierung aller kommunalen Aufgaben. Im Übrigen haben die
Länder und Kommunen auch im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit die
Möglichkeit, bestehende Probleme im Stadt-Umland-Bereich zu regeln.
Die vom Petenten intendierte Unterstützung der Kommunen im sozialen Bereich
durch den Bund erfolgt bereits durch zahlreiche Maßnahmen, insbesondere bei den
Kosten der Unterkunft und Heizung sowie bei der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung. Zudem haben Bund und Länder bei Gesprächen zur Asyl- und
Flüchtlingspolitik am 24. September 2015 eine Verständigung gefunden, bei der der
Bund die Länder und damit auch die Kommunen in erheblichem Maß unterstützen
wird. Die Länder haben dem Bund zugesichert, die Mittel an die Kommunen
weiterzuleiten, sofern diese Kostenträger sind. Angesichts dessen bedarf es einer
besonderen Verteilung des gemeindlichen Steueranteils mit Blick auf die Verteilung
der sozialen Aufgaben nach Überzeugung des Petitionsausschusses nicht.
Der Petitionsausschuss stellt insgesamt fest, dass die bereits getroffenen bzw.
intendierten Maßnahmen den Zielsetzungen des vorgetragenen Petitums bereits jetzt
zumindest zum Teil gerecht werden. Er kann jedoch nicht in Aussicht stellen, noch
weitergehend im Sinne des vorgetragenen Anliegens tätig zu werden. Der
Petitionsausschuss empfiehlt, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem
Anliegen teilweise entsprochen worden ist.
Begründung (PDF)