08.06.2017, 13:01
Martin Panitz
Steuerrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 11.11.2010 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird die Einführung einer Mindestbesteuerung auf Einkommen sowie
eine Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen im Rahmen der Steuerer-
klärung gefordert.
Zur Begründung wird ausgeführt, nach gegenwärtiger Regelung könne ein Steuer-
pflichtiger, der etwa 100.000 Euro pro Jahr brutto verdiene, sein zu versteuerndes
Einkommen durch Ausnutzung aller steuerlichen Tatbestände (Werbungskosten, Ab-
schreibungen, etc.) soweit reduzieren, dass er letztlich keine oder nur eine sehr ge-
ringe Einkommensteuer zu zahlen habe.
Ähnliches gelte auch für große Unternehmen in Jahren, in denen sie Verluste mach-
ten. Daher sei für die Einführung einer Mindeststeuer zu plädieren. Diese könne
etwa darin bestehen, dass von jedem Einkommen, das erwirtschaftet werde, mindes-
tens 5 Prozent an Mindeststeuer zu zahlen seien. In einem solchen Fall müsste dann
ein Unternehmen, welches eine Milliarde Euro an Bruttoeinnahmen pro Jahr erwirt-
schafte, wenigstens 50 Millionen Euro bezahlen, auch wenn es nach Ausnutzung al-
ler Kostenpositionen keinen Gewinn erwirtschaftet habe.
Weiterhin sei es notwendig, abzugsfähige Ausgaben zu begrenzen. Es sei nicht ein-
sehbar, dass jemand einen Firmenwagen im Wert von 100.000 Euro nutze, der voll
abzugsfähig sei. In solchen und ähnlichen Fällen sei es sinnvoll, eine Höchstgrenze
einzuführen.
Zu den Einzelheiten des Vorbringens des Petenten wird auf die von ihm eingereich-
ten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen Bundes-
tages eingestellt. Es gingen 97 Mitzeichnungen sowie 14 Diskussionsbeiträge ein.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich auf der Grundlage zweier
Stellungnahmen des Bundesministeriums der Finanzen wie folgt dar:
Der Petitionsausschuss stellt fest, dass im deutschen Steuerrecht das Leistungsfä-
higkeitsprinzip Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes (Artikel 3 Grundgesetz)
ist. Es stellt ein Fundamentalprinzip der Besteuerung dar. Dieses besagt allgemein,
dass jeder und dies gilt für natürliche wie auch für juristische Personen nach
Maßgabe seiner individuellen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung staatlicher Leistun-
gen beitragen soll. Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit müssen in zweierlei Hin-
sicht gewährleistet werden. Dies gilt zum einen in der vertikalen Betrachtung, was
bedeutet, dass unterschiedlich Leistungsfähige entsprechend ihrer unterschiedlichen
Leistungsfähigkeit auch unterschiedlich zu besteuern sind. In horizontaler Sicht be-
deutet es, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich zu be-
steuern sind.
Für das Einkommensteuerrecht wird das Leistungsfähigkeitsprinzip durch das soge-
nannte Nettoprinzip konkretisiert. Das objektive Nettoprinzip verlangt grundsätzlich,
dass nur das Erwerbseinkommen/der Gewinn, also die Erwerbseinnahmen/Betriebs-
einnahmen gekürzt um die Erwerbsausgaben/Betriebsausgaben, besteuert wird. Das
subjektive Nettoprinzip verlangt darüber hinaus die Abziehbarkeit privater Ausgaben,
die für die Wahrung des Existenzminimums des Einzelnen und seiner unterhaltsbe-
rechtigten Familie unentbehrlich sind.
Die Einkommensbesteuerung in Deutschland berücksichtigt dementsprechend die
individuelle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen dadurch, dass es bestimmte
Freibeträge für Erwachsene und auch für Kinder in typisierender Form gewährt und
geleisteten existenzsichernden Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung
von der Einkommensteuer freistellt.
Soweit der Petent auf die Besteuerung von Unternehmen Bezug nimmt weist der Pe-
titionsausschuss darauf hin, dass die seit 2004 geltende Regelung zur Berücksichti-
gung von Verlusten im Wege des Verlustvortrags bei der Einkommen-, Körperschaft-
und Gewerbesteuer (sogenannte Mindestbesteuerung, § 10 d Absatz 2 Einkommen-
steuergesetz - EStG) eine andere Zielrichtung verfolgt. Verluste eines Steuerpflichti-
gen, deren Ausgleich nicht mit Gewinnen des vorangegangenen laufenden Jahres
möglich ist, können in künftigen Jahren lediglich betragsmäßig begrenzt mit künftigen
Jahren erzielten Gewinnen verrechnet werden. Bis zu einem Sockelbetrag von einer
Million Euro ist eine Verrechnung unbeschränkt möglich, darüber hinaus nur bis 60
Prozent des nach Abzug des Sockelbetrags verbleibenden Gewinns. Somit unterlie-
gen Gewinne künftiger Jahre nach Abzug des Sockelbetrags dann zu mindestens 40
Prozent der Besteuerung. Diese Abzugsbeschränkung soll insbesondere verhindern,
dass Großunternehmen Verlustvorträge dazu nutzen, über Jahre hinweg trotz Ge-
winnen keine Körperschaftsteuer zu zahlen, obwohl sie die Infrastruktur und an-
dere öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen.
Zu den vom Petenten vorgeschlagenen Begrenzungen und Beschränkungen macht
der Petitionsausschuss ergänzend darauf aufmerksam, dass eine derartige Einfüh-
rung von Beschränkungen in Deutschland sich auf den internationalen Standortver-
gleich von Unternehmen auswirken würden. Beschränkungen wie eine sich lediglich
an den Betriebseinnahmen orientierende Mindeststeuer und eine Deckelung von Be-
triebsausgaben würden sich ungünstig für den Standort Deutschland auswirken und
damit Investitionen wie auch Arbeitsplätze gefährden.
Soweit der Petent für die Begrenzung von Anschaffungskosten für Firmenwagen ein-
tritt erinnert der Petitionsausschuss daran, dass grundsätzlich alle Aufwendungen,
die durch den Betrieb veranlasst sind, als Betriebsausgaben abziehbar sind (§ 4
Absatz 4 EStG). Entgegen der Annahme des Petenten dürfen jedoch Anschaffungs-
oder Herstellungskosten abnutzbarer beweglicher W irtschaftsgüter, deren Nutzung
sich über mehr als ein Jahr erstreckt, in der steuerlichen Einkünfteermittlung nicht im
Entstehungsjahr mit ihrem gesamten Betrag abgezogen werden, sondern sind über
ihren Nutzungszeitraum abzuschreiben. "Abgesetzt" werden kann somit jedes Jahr
nur derjenige Teil der Kosten, der sich bei der Verteilung auf die voraussichtliche
Nutzungsdauer bei Geschäfts- und Firmenwagen im Regelfall sechs Jahre als
Jahresbetrag ergibt.
Bei privater Nutzung von firmeneigenen Geschäftswagen bzw. Dienstwagen des Un-
ternehmers oder eines Arbeitsnehmers ist zunächst der Anteil der privaten Nutzung
an der Gesamtnutzung zu ermitteln und dann der Teil der Privatnutzung steuerlich zu
berücksichtigen.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Steuerrecht Vorschriften kennt, die den Be-
triebsausgabenabzug trotz betrieblicher Veranlassung beschränken oder versa-
gen. So enthält etwa § 4 Absatz 5 und 5 a EStG Einschränkungen der Abzugsfähig-
keit von Betriebsausgaben, die die Lebensführung des Betriebsinhabers oder dritter
Personen berühren. Dadurch sollen Missstände beim Betriebausgabenabzug verhin-
dert werden. In Absatz 5 Nummer 7 der genannten Vorschrift ist ferner bestimmt,
dass andere als die im Katalog bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung
des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, bei der Gewinnermittlung in-
soweit ausscheiden, als sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemes-
sen anzusehen sind.
Vor dem Hintergrund der genannten Darlegungen und angesichts des Konflikts des
vom Petenten vorgeschlagenen Modells mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen der
Besteuerung (Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung als Ausfluss des allge-
meinen Gleichheitssatzes Artikel 3 Grundgesetz) kann der Petitionsausschuss
mithin nicht in Aussicht stellen, im Sinne des vorgetragenen Anliegens tätig zu
werden. Er empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen.