14/05/2016, 4:23 π.μ.
Pet 4-18-07-4512-019424
Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 28.04.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Die Petentin fordert, dass Vergewaltigung und sexueller Missbrauch in den
Straftatbestand „Nichtanzeige geplanter Straftaten“ aufgenommen werden.
Zur Begründung trägt die Petentin im Wesentlichen vor, dass sexuelle Gewalt immer
eine massive Persönlichkeitsverletzung sei, gegen die Selbstbestimmung einer
Person verstoße und zu einer Traumatisierung des Opfers führen könne. Straftaten
wie Menschenraub, räuberische Erpressung und gemeingefährliche Straftaten (z. B.
Brandstiftung) seien bereits offenbarungspflichtig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 221 Mitzeichnern
unterstützt, und es gingen 29 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Zunächst ist darauf hinweisen, dass das Strafgesetzbuch (StGB) keine generelle
Anzeigepflicht für bereits begangene Straftaten kennt. Zur Strafanzeige in diesen
Fällen verpflichtet ist lediglich, wer von Rechts wegen dazu berufen ist, an der
Strafverfolgung mitzuwirken, also in irgendeiner Weise dafür zu sorgen, dass Straftäter
ihrer Bestrafung oder sonstigen strafrechtlichen Maßnahmen zugeführt werden. Nur
solche Personen, etwa Polizeibeamte während ihres Dienstes, können sich wegen
Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) strafbar machen, wenn sie eine Strafanzeige
unterlassen.
Der § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten) verpflichtet jedermann zur
Anzeige, der glaubhaft von bestimmten Straftaten erfahren hat, aber nur, soweit die
Ausführung oder der Erfolg der Straftat noch abgewendet werden kann.
Der Straftaten des sexuellen Missbrauchs nach den §§ 174 bis 176b, 179 StGB,
insbesondere der sexuelle Missbrauch von Kindern (§§ 176, 176a StGB) gehören nicht
zu den Delikten, deren Nichtanzeige nach § 138 StGB strafbar ist. Ebenso wenig ist
die sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (§ 177 StGB) in § 138 StGB genannt.
Der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften“ im Jahre 2003
(BT-Drs. 15/350), schlug eine entsprechende Erweiterung des Straftatenkatalogs des
§ 138 StGB um den sexuellen Missbrauch von Kindern in bestimmten Fällen sowie um
die sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung vor. Dieser Vorschlag fand aber keinen
Eingang in das am 1. April 2004 in Kraft getretene Gesetz.
Der Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drs. 15/1311) verwies damals dazu auf das
Ergebnis der Anhörung von Sachverständigen am 19. Februar 2003, die sich
weitgehend kritisch zu dem Vorschlag geäußert hatten, außerdem auf Stellungnahmen
aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und von Opferschutzverbänden, in
denen die Anzeigepflicht als kontraproduktiv abgelehnt wurde. Auch die Konferenz der
Jugendministerinnen und -minister am 22. und 23. Mai 2003 und die Konferenz der
Justizministerinnen und –minister am 11. und 12. Juni 2003 hatten sich gegen den
Vorschlag ausgesprochen. Der Rechtsausschuss führt insoweit aus, dass es offenbar
an einer Akzeptanz einer solchen Regelung gerade bei den Personen und Stellen
fehle, die diese in der Praxis anzuwenden hätten. Es erscheine deshalb zumindest
zweifelhaft, ob sich der strafrechtliche Schutz von Kindern auf dem Wege einer
strafbewehrten Anzeigepflicht verbessern lasse. Dabei wurde insbesondere auch die
Gefahr gesehen, dass sich Opfer von sexueller Gewalt oder Missbrauch ggf. davor
scheuen könnten, Schutz und Beratung bei Beratungsstellen und
Opferschutzeinrichtungen zu suchen, wenn sie befürchten müssten, dass dies zu einer
Anzeige durch die aufgesuchten Personen und Stellen führen wird. Eine solche
Anzeige ist nicht in jedem Fall von Opfern sexueller Gewalt und von sexuellem
Missbrauch gewünscht.
Der Rechtsausschuss betonte aber, dass das der strafbewehrten Anzeigepflicht zu
Grunde liegende Prinzip „Hinschauen statt Wegschauen“ auf anderem Weg
weiterverfolgt und vertieft werden müsse. Er empfahl hierzu eine möglichst breit
angelegte Präventionskampagne mit dem Ziel, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für
das drängende Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu schärfen und die
Bereitschaft zu fördern, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zur
Vermeidung eines sexuellen Missbrauchs zu ergreifen.
Diese Argumente dürften aus fachlicher Sicht auch weiterhin Geltung beanspruchen.
Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht für
eine Gesetzesänderung im Sinne der Petition auszusprechen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Begründung (pdf)