17.08.2016 04:22
Pet 2-18-08-6120-024819
Umsatzsteuer
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 07.07.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition soll erreicht werden, dass für kleinere Vereine höhere Freigrenzen
bei der Umsatzsteuerpflicht festgelegt werden.
Zur Begründung wird ausgeführt, viele kleinere Vereine (etwa Musik- oder
Gesangsvereine) seien trotz geringer Umsätze immer häufiger umsatzsteuerpflichtig
und müssten Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, obwohl keine
Konkurrenzsituation im "marktwirtschaftlichen" Sinn bestehe. Kleine Vereine stellten
einen Zusammenschluss natürlicher Personen dar, die eine gemeinsame
Leidenschaft ausüben. Ehrenamtlich Tätige (etwa Vereinskassierer) seien mit dem
komplizierten Umsatzsteuerrecht überfordert.
Insgesamt sei feststellbar, dass das Ehrenamt in der Gesellschaft in geringerem
Maße ausgeübt werde als früher. Daher solle es politisches Ziel sein, kleine Vereine
mit geringen Umsätzen, die sich kulturell, gemeinnützig oder gesellschaftlich
engagierten, durch Einführung höherer Freigrenzen vom komplizierten
Umsatzsteuerrecht zu verschonen. Der Vorsteuerabzug werde bei kleinen Vereinen
meistens nicht angewandt, da die ehrenamtlich Tätigen mit dem Umsatzsteuerrecht
in der Regel nicht vertraut seien und ein Steuerberater zu hohe Kosten verursachen
würde. Insoweit könnten höhere Freigrenzen bei der Umsatzsteuerpflicht
ehrenamtlich Tätige und kleine Vereine entlasten.
Zu den Einzelheiten des Vorbringens des Petenten wird auf die von ihm
eingereichten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe ist auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlicht
worden. Es gingen 42 Mitzeichnungen sowie 8 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Gesichtspunkte
wie folgt zusammenfassen:
Eingangs stellt der Petitionsausschuss fest, dass die Lieferungen und sonstigen
Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines
Unternehmens ausführt, grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliegen (§ 1 Abs. 1
Umsatzsteuergesetz – UStG). Diese Regelung, die eine grundsätzliche Steuerbarkeit
aller Umsätze festlegt, gilt auch für Umsätze eines (kleinen) Vereins, und zwar
unabhängig davon, ob dieser von ehrenamtlich tätigen Personen geführt wird und ob
eine (echte) Konkurrenzsituation zu gewerblichen Unternehmen besteht. Im Rahmen
der den Mitgliedstaaten in den verbindlichen Vorgaben der Mehrwertsteuer-
Systemrichtlinie (MwStSystRL) der Europäischen Union eingeräumten Möglichkeiten
hat der deutsche Gesetzgeber gleichwohl besondere Regelungen für Unternehmer
mit geringen Umsätzen und für Vereine erlassen.
Die erste dieser Sonderregelungen betrifft § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG), also die
sogenannte Kleinunternehmerregelung. Danach wird die Umsatzsteuer von
inländischen Unternehmern nicht erhoben, wenn der Umsatz im vergangenen
Kalenderjahr 17.500,00 Euro nicht überstiegen hat und 50.000,00 Euro im laufenden
Kalenderjahr voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Regelung basiert auf einer
den Mitgliedsstaaten eingeräumten Option des Rechts der Europäischen Union und
stützt sich auf die Artikel 281 ff. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem.
Im bestehenden System der Umsatzsteuer stellt die Kleinunternehmerregelung
gemäß § 19 UStG eine der Verwaltungsvereinfachung dienende Ausnahmeregelung
dar. Durch sie soll Schwierigkeiten Rechnung getragen werden, die eine normale
Besteuerung von Kleinunternehmern, wozu auch kleine Vereine zählen, mit Blick auf
deren Tätigkeit oder Struktur nach sich ziehen würde. Dies entspricht im Grunde dem
Begehren des Petenten, da der Verzicht auf die Steuererhebung im Wesentlichen
von strukturellen Überlegungen – nicht zuletzt auf Seiten der Steuerpflichtigen –
geleitet wird.
Der nationale Gesetzgeber hat nach den Vorgaben des Artikels 286 MwStSystRL die
Möglichkeit, die Kleinunternehmergrenze in regelmäßigen Abständen entsprechend
der allgemeinen Preisentwicklung anzuheben. Aktuell wäre danach eine Erhöhung
auf gegenwärtig 20.000,00 Euro möglich. Der Petitionsausschuss macht jedoch
darauf aufmerksam, dass bereits diese im Ergebnis recht geringe Anhebung
gleichwohl zu jährlichen Steuermindereinnahmen im dreistelligen Millionenbereich
führen würde, was den bestehenden Konsolidierungsbestrebungen des
Bundeshaushaltes entgegenwirken würde.
Als weitere Regelung zur Vereinfachung der Besteuerung ist § 23a UStG zu nennen.
Diese Regelung gilt für kleinere gemeinnützige Körperschaften und sieht unter
anderem eine Wahlmöglichkeit zur Pauschalierung der Vorsteuer nach einem
Durchschnittssatz von sieben Prozent vor. Davon betroffen sind die Eingangs-, nicht
jedoch die Ausgangsumsätze. Die Erleichterung (Verwaltungsvereinfachung) tritt
dabei nicht allein durch die Vorsteuerpauschalierung an sich ein, sondern auch durch
die damit verbundene Befreiung nach § 66a Umsatzsteuer-
Durchführungsverordnung (UStDV). Danach muss ein Unternehmer – soweit er
pauschaliert – keine Belege für die abziehbaren Steuern aufbewahren und
diesbezüglich auch keine Aufzeichnungen führen. Den kleineren gemeinnützigen
Vereinen wird damit die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge wesentlich
erleichtert. Zudem erübrigt sich bei Anwendung der Pauschalierung die (oft
schwierige) Zuordnung der Eingangsleistungen zu steuerpflichtigen
Ausgangsumsätzen, da grundsätzlich nur für diese ein Vorsteuerabzug möglich ist.
In denjenigen Fällen, in denen der Verein ausschließlich Umsätze zum ermäßigten
Steuersatz von sieben Prozent ausführt, führt die Pauschalierung der Vorsteuer in
gleicher Höhe im Ergebnis dazu, dass der Verein ganz aus der Umsatzbesteuerung
herausfällt.
Voraussetzung für die Anwendung des § 23a UStG ist neben einer Erklärung des
Unternehmers, dass er die Regelung in Anspruch nehmen will (die ihn für
mindestens fünf Kalenderjahre bindet), dass der steuerpflichtige Umsatz des
Unternehmers die Umsatzgrenze von 35.000,00 Euro nicht überschreitet (§ 23a Abs.
2 UStG). Dabei kommt es auf den Gesamtumsatz aller steuerpflichtigen Leistungen
des Vorjahres an, der – sofern die Tätigkeit nur in einem Teil des laufenden Jahres
ausgeübt wurde – auf den tatsächlichen Umsatz entsprechend hochzurechnen ist.
Nach dem Dargelegten stellt der Petitionsausschuss fest, dass bereits nach den
bestehenden Regelungen Möglichkeiten gegeben sind, die kleinere Vereine und die
dort ehrenamtlich Tätigen vor einer Auseinandersetzung mit umsatzsteuerrechtlichen
Sachverhalten bewahrt. Er kann jedoch nicht in Aussicht stellen, weitergehend im
Sinne des vorgetragenen Anliegens tätig zu werden und empfiehlt daher, das
Petitionsverfahren abzuschließen.
Begründung (PDF)