31/05/2016, 04:25
Pet 3-17-10-7125-050451
Verbraucherschutz
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 28.04.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
1. Die Petition
a) der Bundesregierung - dem Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und
dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit - zu
überweisen,
b) dem Europäischen Parlament zuzuleiten,
soweit die Petition auf die Notwendigkeit aufmerksam macht, die Ursachen der
Geräteausfälle und -defekte zu analysieren,
2. das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Begründung
Der Petent möchte den Aufbau einer Datenbank beim damaligen Bundesministerium
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und jetzigen
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) oder der Stiftung
Warentest erreichen, in die Verbraucher ihre Daten zu der Lebensdauer und der
Reparaturfähigkeit von Produkten der unterschiedlichen Hersteller einstellen können.
Diese Daten sollen nach ihrer Aufbereitung für alle abrufbar sein. Der Petent führt
aus, dass „geplante Obsoleszenz“ gegen die Interessen der Verbraucher verstoße.
Hierdurch würden Energie und Rohstoffe verschwendet sowie die Umwelt zerstört.
Es handelt sich um eine öffentliche Petition, die auf den Internetseiten des Deut-
schen Bundestages eingestellt und diskutiert wurde. 326 Mitzeichnende haben das
Anliegen unterstützt. Der Petitionsausschuss hat im Rahmen seiner
parlamentarischen Prüfung der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre
Auffassung zu dem Anliegen mitzuteilen. Die parlamentarische Prüfung hatte das im
Folgenden dargestellte Ergebnis:
Im Bereich des rechtlichen und wirtschaftlichen Verbraucherschutzes wie auch in der
politischen Öffentlichkeit ist die so genannte geplante Obsoleszenz ein aktuelles
Thema. Gemeint ist mit dem Begriff ein Teil einer Produktstrategie, bei der schon
während des Herstellungsprozesses bewusst Schwachstellen in das betreffende
Produkt eingebaut, Lösungen mit absehbarer Haltbarkeit und/oder Rohstoffe von
minderer Qualität eingesetzt werden, die dazu führen, dass das Produkt schneller
schad- oder fehlerhaft wird und nicht mehr in vollem Umfang genutzt werden kann.
Nach Auskunft der Bundesregierung ist bislang nicht zureichend geklärt, ob geplante
Obsoleszenz über Einzelfälle hinaus tatsächlich als systematisches Phänomen
vorliegt. Die Bundesregierung hat ausgeführt, dass hierzu keine ausreichend
belastbaren Beweise vorliegen. Im Nachhinein sei bei Mängeln häufig nur schwer zu
unterscheiden zwischen Designerwartungen von Verbrauchern, Produktionsfehlern,
Mängeln in der Handhabung durch Verbraucher, normalem Verschleiß und
tatsächlich geplanter Obsoleszenz von Unternehmen. Waren würden aus
unterschiedlichen Gründen und auf der Basis unterschiedlicher Geldbudgets gekauft.
Sie seien daher je nach Qualität und Güte des Materialeinsatzes in ihrem zeitlichen
Gebrauchsnutzen stark unterschiedlich. Preiswertere Produkte seien eher von
normaler Obsoleszenz betroffen als qualitativ hochwertige. Jedoch komme es auch
vor, dass selbst bei hochwertigen Produkten günstigere Einzelteile eingebaut
würden, um einem von den Käufern akzeptierten Preis näher zu kommen. Dies
ergebe sich daraus, dass jedes Produkt dem Markt- und damit dem Preiswettbewerb
unterliege. Die Bundesregierung hält daher die Einrichtung der gewünschten
Datenbank nicht für sinnvoll.
Der Petitionsausschuss stellt fest, dass von der geplanten Obsoleszenz der normale
Verschleiß von Produkten unterschieden werden muss. Auch der technische
Fortschritt führt zur Veralterung an sich funktionsfähiger Produkte. Von geplanter
Obsoleszenz ist auch die Reparaturfähigkeit und Reparaturfreundlichkeit von
Produkten zu unterscheiden. Ob sich eine Reparatur lohnt oder eher ein Neukauf
sinnvoll ist, liegt vor allem auch an den jeweiligen Preisen dafür. Zudem sind von
geplanter Obsoleszenz zu unterscheiden die mit Produkten oft verbundenen
Werbebotschaften und Werbeversprechen, die gegenüber der tatsächlichen
Produktleistung oftmals überhöht sind. Durch die Globalisierung der Produktion und
der Märkte erreichen Deutschland auch immer mehr Produkte mit erheblichen
Beeinträchtigungen. Dies zeigen die Zahlen des EU-Schnellwarnsystems RAPEX.
Die Bundesregierung hat hier mitgeteilt, dass in Bezug auf die Produktsicherheit für
Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit besteht, sich an die
Marktüberwachungsbehörden der Länder zu wenden oder eine Meldung an die für
bestimmte europäische Richtlinien zuständige Marktüberwachungsbehörde zu
machen. Nähere Informationen finden sich unter
www.baua.de/de/Produktsicherheit/Produktinformationen/ICSMS.html.
In Deutschland müssen Unternehmen die Gewährleistungsfrist, d.h. die
kaufmännische Mängelhaftung, beachten. Im Rahmen der Europäischen Union sind
in der EU-Richtlinie 1999/44/EG rechtlich bindende Gewährleistungsstandards
festgelegt. Die Verjährungsfrist gegen Fehler ab Werk darf danach nicht unter zwei
Jahren oder unter der sechsmonatigen Beweislastumkehr liegen. Die
Gewährleistungsfrist wird zudem oftmals von verschiedenen Herstellern für ihre
Produkte freiwillig verlängert. Verbraucher können auch Produktinformationen aus
unterschiedlichen Quellen, wie z.B. der Stiftung Warentest, gewinnen. Auch das
Produktlabel „Der Blaue Engel“ beruht darauf, dass bei vielen Produkten zeitliche
Nutzungsaspekte in die Anforderungsprofile eingeflossen sind.
Das Umweltbundesamt wird im Jahr 2013 ein wissenschaftliches Forschungsprojekt
– mit dem Schwerpunkt Elektro-/Elektronikgeräte – starten, um belastbare
Informationen zur geplanten Obsoleszenz zu erhalten und gegebenenfalls auch
Handlungsmöglichkeiten, z. B. im Hinblick auf die Gewährleistung und die Vorhaltung
von Ersatzteilen usw., zu prüfen. Es soll auch zwischen werkstofflicher und
funktionaler Obsoleszenz sowie der so genannten psychischen Obsoleszenz, die das
Produktverhalten der Verbraucher betrifft, unterschieden werden.
Der Petitionsausschuss hält eine möglichst lange Nutzung von Produkten unter
ökologischen, sozialen und effizienzökonomischen Aspekten unter Beachtung des
technologischen Fortschrittes für sinnvoll und geboten. Hierbei ist jedoch auch das
grundsätzliche Problem veränderter technologischer Ansätze, Produktplanungen und
Produktionsweisen zu sehen. Diese können durch die Ziele von Nachhaltigkeit,
Ressourceneffizienz und Ressourcenschonung vor dem Hintergrund weltweit
knapper Ressourcen und der Verringerung der Abhängigkeit vom Ausland bei
spezifischen Rohstoffen bestimmt sein.
Der Petitionsausschuss hält die vorliegende Petition für geeignet, in die
Überlegungen zu dem wissenschaftlichen Forschungsprojekt des
Umweltbundesamtes einbezogen zu werden. Da das Anliegen zudem die EU-
Ökodesign-Richtlinie betrifft, die sich auf die gesamte Produktgestaltung von Anfang
bis Ende bezieht und die laufend bei verschiedenen Produktgruppen in
mitgliedstaatliches Recht umgesetzt wird, betrifft die Petition auch die Rechtsetzung
des Europäischen Parlaments. Da die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz in
dieser Wahlperiode federführend beim Bundesministerium der Justiz und für
Verbrauchschutz (BMJV) liegt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) zuständig ist, sofern die Lebensdauer von
Produkten ökologische Belange tangiert, empfiehlt der Petitionsausschuss, die
Petition dem BMJV, dem BMEL und dem BMUB zu überweisen und dem
Europäischen Parlament zuzuleiten, soweit die Petition auf die Notwendigkeit
aufmerksam macht, die Ursache der Geräteausfälle und -defekte zu analysieren.
Der von der Fraktion DIE LINKE. gestellte Antrag, die Petition der Bundesregierung –
dem BMJV, dem BMEL und dem BMUB – zu überweisen und dem Europäischen
Parlament zuzuleiten, wurde mehrheitlich abgelehnt.
Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Antrag, die Petition der
Bundesregierung – dem BMJV, dem BMEL und dem BMUB – als Material zu
überweisen und dem Europäischen Parlament zuzuleiten, wurde ebenfalls
mehrheitlich abgelehnt.
Begründung (pdf)