2016-12-06 03:23
Pet 3-18-05-005-012340
Visaangelegenheiten
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 24.11.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Der Petent möchte erreichen, dass verletzte und schwer kranke Menschen aus dem
Norden Iraks ein Visum für mindestens 3 Monate erhalten, damit sie in Deutschland
aufgenommen und medizinisch versorgt werden können.
Der Petent führt insbesondere aus, dass viele Menschen aus dem Norden Iraks auf
der Flucht seien. Die Flüchtlinge seien oftmals schwer krank oder in Folge der Flucht
verletzt worden. Die medizinische Versorgung im Irak und in den kurdischen
Gebieten sei katastrophal. Die Krankenhäuser seien völlig überlastet, so dass den
Flüchtlingen praktisch nicht geholfen werden könne. Deutschland und die
Europäische Union dürften nicht tatenlos zusehen, wie Leib und Leben von
hunderttausenden Flüchtlingen gefährdet würden. Hier müsse dringend etwas
unternommen werden. Daher fordere er von Deutschland, dass Flüchtlingen aus
dem Norden des Iraks ein Visum für mindestens drei Monate ausgestellt und
entsprechende medizinische Versorgung bereitgestellt werde.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt. Es gingen 63 Mitzeichnungen sowie 3 Diskussionsbeiträge
ein.
Der Petitionsausschuss hat im Rahmen seiner parlamentarischen Prüfung eine
Stellungnahme des Auswärtigen Amtes (AA) zu dem Anliegen eingeholt. Die Prüfung
hatte das im Folgenden dargestellte Ergebnis:
In seiner Stellungnahme teilt das AA u.a. mit, dass Personen, die zu allgemeinen
Zwecken nach Deutschland reisen (z.B. Besuchsreisen, medizinische
Folgebehandlungen), ihr Visum an der Deutschen Botschaft Ankara beantragen. Die
Kurzzeit-Visumerteilung erfolgt auf der Grundlage des für alle Schengen-Staaten
einheitlichen Visakodex. In ihm sind sämtliche Erteilungsvoraussetzungen
(Glaubhaftmachung der Rückkehrwilligkeit, Nachweis der Mittel zur Finanzierung des
Aufenthalts, Nachweis des Reisezwecks) niedergelegt. Diese Voraussetzungen
gelten auch im Falle von dringenden medizinischen Behandlungen.
Anträge im deutschen Generalkonsulat in Erbil (Nordirak) sind nur sehr
eingeschränkt möglich. Als „Kleinstvertretung" ist es weder personell noch räumlich
für die Durchführung umfassender Visaverfahren ausgestattet und kann nur in sehr
eingeschränktem Umfang konsularische Dienstleistungen anbieten. Personen, die
ihren gewöhnlichen Wohnsitz in der föderalen Region Kurdistan-Irak haben, können
in Erbil ihren Visaantrag stellen, wenn sie einer der folgenden Personengruppen
angehören oder ihre Reise einem der folgenden Zwecke dient:
Inhaber von Dienst- oder Diplomatenpässen
Geschäftsreisende, die in den vergangenen drei Jahren bereits mehrere
Schengen-Visa erhalten haben und enge Beziehungen nach Deutschland
darlegen können
Teilnehmer von Regierungs- oder Wirtschaftsdelegationen, die von offiziellen
deutschen Stellen eingeladen worden sind
Wissenschaftler und Künstler, die von offiziellen deutschen Organisationen
eingeladen worden sind
Eil-Fälle für eine medizinischer Behandlung in Deutschland
Teilnehmer an Ausbildungsmaßnahmen bei offiziellen deutschen Stellen oder
von der Bundesregierung geförderten Programmen
Das Generalkonsulat in Erbil verfügt wegen der Sicherheitslage in der Region
Kurdistan/Irak und dringend notwendiger Vorkehrungen für die Sicherheit der
Mitarbeiter nur über eingeschränkte räumliche und personelle Kapazitäten. Die
extrem schwierige Sicherheitslage vor Ort macht eine umfassende bauliche
Neugestaltung des Generalkonsulats erforderlich. Diese Arbeiten sind aber auch von
Bedingungen abhängig, auf die nur begrenzt Einfluss besteht. Das Auswärtige Amt
teilt weiter mit, dass dieses davon ausgeht, dass die Arbeiten bis Mitte 2016 einen
Stand erreicht haben werden, der es ermöglicht, auch am Generalkonsulat Erbil in
gewissem Umfang Anträge auf Familiennachzug bearbeiten zu können. Trotz der
genannten Einschränkungen hat das Generalkonsulat bereits im laufenden Jahr Visa
im vierstelligen Bereich erteilt, darunter Visa für Kurzzeitaufenthalte (z. B. für Eil-Fälle
medizinischer Behandlung in Deutschland) und auch aufwändige Visaanträge für
Langzeitaufenthalte zum Familiennachzug in besonderen humanitären Härtefällen
und Visa im Rahmen der Aufnahmeprogramme des Bundes und der Länder
insbesondere für schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak.
Darüber hinaus weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass Deutschland allein
2014 ca. 50 Mio. Euro für Nothilfemaßnahmen und humanitäre Hilfe zur Linderung
der Not der betroffenen Bevölkerung zur Verfügung gestellt hat. Auch die EU sowie
mehrere ihrer Mitgliedstaaten (Niederlande, Großbritannien, Schweden, Italien und
Frankreich) liefern Nahrungsmittel, Ausrüstung (z. B. Decken und Zelte) sowie
medizinische Hilfsgüter. Die Umsetzung dieser Hilfsmaßnahmen vor Ort erfolgen
u. a. durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK), Nichtregierungsorganisationen (NROs)
sowie dem Internationalen Rote Kreuz (IKRK). Die Koordinierung der
Hilfsorganisationen vor Ort erfolgt u.a. durch die „United Nations Office for the
Coordination of Humanitarian Affairs“ (UN-OCHA), dessen Expertise unbestritten ist.
Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung sehen ihre humanitäre
Verantwortung insbesondere darin, den Leidenden zu helfen. Es liegt gleichzeitig im
sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands, der Terrorgruppe ISIS und ihren
Helfern Einhalt zu gebieten.
Der Fokus der humanitären Hilfe Deutschlands ist auf die Schaffung bzw. die
Erhaltung von Rückkehrperspektiven für die Binnenvertriebenen in ihre
angestammten Siedlungsgebiete gerichtet. Dazu gehören bei besonders
traumatisierten Personen vor allem die Betreuung und die Versorgung durch
Psychologen, Ärzte und Sozialarbeiter.
Die Bundesregierung fördert zu diesem Zusammenhang beispielsweise das Berliner
Behandlungszentrum für Folteropfer. Dieses betreibt in Erbil, Suiaimaniya, Dohuk,
Domiz, Halabja und Chattichamal - bisher unter dem Namen „Kirkuk Center for
Torture Victims“ nunmehr unter dem Namen „Jiyan Foundation for Human Rights“ -
Beratungsstellen. Dort werden psychosoziale Dienstleistungen für Opfer von
Misshandlungen und Vergewaltigungen angeboten. Die Betroffenen sollten die Hilfe
so nah wie möglich bei ihren Familien, Stammesverbänden und Gemeinden sowie
mit der realistischen Aussicht auf eine Rückkehr an ihre Wohnorte erhalten.
Deutschland leistet diese Hilfe in enger Absprache mit der irakischen Regierung, der
kurdischen Regionalregierung, den Vertretern der religiösen, Minderheiten sowie den
Vereinten Nationen. Eine Aufnahme irakischer Binnenvertriebener im Ausland wird
dort nicht gefordert.
Der Petitionsausschuss hat die Eingabe zur Kenntnis genommen und geprüft. Der
Petitionsausschuss erachtet die von der Bundesregierung in ihren Stellungnahmen
dargelegten vielseitigen humanitären Maßnahmen als ausgewogen und sachgerecht.
Gleichzeitig teilt der Petitionsausschuss die bestehenden sicherheitspolitische
Einschätzungen der Bundesregierung bezüglich der Situation in der Region
Kurdistan/Irak. Deutschland wird sich auch in der Zukunft an humanitären
Hilfsmaßnahmen für die Region aktiv beteiligen. Dies kann allerdings nur in enger
Kooperation mit den anderen an diesen Aktionen beteiligten Länder und
Organisationen erfolgen. Eine in diesem Zusammenhang von dem Petenten
geforderte generelle bzw. bedingungslose Ausstellung von Visa für medizinische
Versorgung in Deutschland wird vom Petitionsausschuss nicht unterstützt. Er sieht
aufgrund der vorliegenden Eingabe keinen Anlass, im Zusammenhang mit dem von
dem Petenten vorgetragenen Anliegen tätig zu werden. Der Petitionsausschuss
empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, da dem Anliegen nicht
entsprochen werden konnte.
Der von den Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte
Antrag, die Petition der Bundesregierung – dem Auswärtigen Amt – zur Erwägung zu
überweisen, ist mehrheitlich abgelehnt worden.
Begründung (PDF)