05/12/2016, 04:23
Pet 3-18-05-08-023214
Völkerrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 28.04.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Die Petition
a) der Bundesregierung - dem Auswärtigen Amt - als Material zu überweisen,
b) den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, dass die Morde, die während des Kolonialkrieges von
1904 – 1908 durch deutsche Truppen an den Herero und Nama verübt wurden, als
Völkermord anerkannt werden.
Die Petentin führt insbesondere aus, dass sich Deutschland endlich seiner
Verantwortung stellen müsse. Im Bundestag hätten in diesem Jahr alle dort
vertretenen Parteien von der Türkei gefordert, die Massaker an den Armeniern als
Völkermord anzuerkennen. Der Völkermord an den Herero und Nama müsse daher
von Deutschland gleichermaßen anerkannt werden. Nur wenn Deutschland bereit sei,
diesen Völkermord auch als solchen zu benennen, gebe es eine Basis für eine echte
Freundschaft zwischen Deutschland und Namibia.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 120 Mitzeichnern
unterstützt, und es gingen 109 Diskussionsbeiträge ein.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.
Der Petitionsausschuss hat im Rahmen der parlamentarischen Prüfung eine
Stellungnahme des Auswärtigen Amtes eingeholt. Unter Berücksichtigung der
Stellungnahme sieht das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung folgendermaßen
aus:
Entgegen der Vorstellung der Petentin haben sich sowohl die Bundesregierung als
auch der Deutsche Bundestag wiederholt intensiv und im Bewusstsein der historischen
Verantwortung mit der deutschen Kolonialgeschichte auseinandergesetzt. Das gilt
auch und vor allem für das frühere Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia, und die
blutige Niederschlagung des Herero-Aufstandes durch die kaiserlichen Truppen.
Sowohl der Deutsche Bundestag als auch die Bundesregierung bekennen sich auch
vor dem Hintergrund des grausamen Kolonialkriegs des Deutschen Reiches in
Südwestafrika 1904-1908 weiterhin ausdrücklich zu einer besonderen historischen
Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia und allen seinen Bürgerinnen und
Bürgern.
Der Petitionsausschuss begrüßt zudem, dass sich der Bundesaußenminister bereits
zu Beginn seiner zweiten Amtszeit des Themas erneut angenommen hat. In einem
ausführlichen Gespräch am 2. Juni 2014 in Berlin haben Bundesminister Steinmeier
und seine namibische Amtskollegin Nandi-Ndaitwah einen politischen Dialogprozess
vereinbart und aufgenommen.
Damit werden die beiden Minister einen gemeinsamen Beitrag dazu leisten, die auch
jetzt noch spürbaren Folgen der Kolonialzeit allmählich zu überwinden. Ziel dieses
deutsch-namibischen Dialogs ist es, gemeinsam eine würdige Kultur des Gedenkens
und Erinnerns an die damaligen Gräuel zu finden und die bilateralen Beziehungen auf
der Grundlage der gemeinsamen Geschichte in die Zukunft zu führen.
Deutschland wird seiner historischen Verantwortung auch durch eine besonders
intensive außenpolitische Beziehung zu Namibia gerecht, die ihren Schwerpunkt vor
allem in der Entwicklungszusammenarbeit hat. Namibia steht gemessen an den
staatlichen finanziellen Zuwendungen pro Kopf der Bevölkerung an erster Stelle der
Partnerländer in Afrika. Das Gesamtvolumen der deutschen Zusagen und aller
Maßnahmen der Technischen Zusammenarbeit für Namibia seit 1990 liegen bei einem
Gesamtbetrag von über 700 Millionen Euro.
Deutschland hat zudem im Einvernehmen mit der namibischen Regierung eine
Sonderinitiative mit einem Volumen von 20 Millionen Euro initiiert, deren Maßnahmen
insbesondere den Bewohnern der Siedlungsgebiete der betroffenen Volksgruppen
(u. a. Herero und Nama) zugutekommen.
Für individuelle Entschädigungen an Vertreter dieser Volksgruppen sieht die
Bundesregierung jedoch keine rechtliche Grundlage und lehnt diese daher ab. Der
Petitionsausschuss teilt diese Meinung.
Der Petitionsausschuss betont, dass die Erforschung der deutschen
Kolonialvergangenheit schon lange Gegenstand der deutschen und internationalen
Geschichtswissenschaft ist und dies auch bleiben wird. Der Petitionsausschuss
erachtet eine besondere Förderung in dieser Richtung nicht für erforderlich, zumal die
Politik den Rahmen für Forschung geben, jedoch nicht Inhalte vorgeben sollte. Auch
in den Lehrplänen der Schulen und im öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Diskurs
hat die deutsche Kolonialgeschichte ihren Platz. Der Petitionsausschuss begrüßt in
diesem Zusammenhang, dass in der namibischen Hauptstadt in Windhuk seit vielen
Jahren ein Goethezentrum (GZ) besteht. Hauptaufgabe ist es, die Förderung der
Kenntnisse der deutschen Sprache und die Pflege der interkulturellen
Zusammenarbeit zwischen Namibia und Deutschland zu fördern. Einen wichtigen
Schwerpunkt bilden hierbei verschiedene Kulturprojekte im Sinne einer "Versöhnung"
zwischen der einstigen deutschen Kolonialgeschichte und dem heutigen Namibia.
Aktuell erlernen an 50 zumeist staatlichen Schulen ca. 9.000 Schülerinnen und Schüler
Deutsch als Mutter- oder Fremdsprache. Auch die Deutschkurse des GZ waren mit
637 Teilnehmern im Jahr 2013 sehr gut frequentiert.
Ergänzend weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass der Deutsche Bundestag
sich immer wieder in Form von Anträgen, mündlichen und schriftlichen Fragen und
kleinen Anfragen mit dem Thema der deutschen Kolonialvergangenheit in Afrika
auseinandergesetzt hat. Ein Schwerpunkt bildete das „Sonderverhältnis“ zu Namibia.
Beispielhaft sei hier die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage „Deutsche
Kolonialgeschichte in Namibia“ der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(BT-Drs. 18/4903 vom 12. Juni 2015) genannt.
Soweit die Petentin sich auf die Begrifflichkeit des Völkermordes hinsichtlich der
Herero bezieht und daraus die besondere Verantwortung Deutschlands heutzutage
ableitet, so ist dazu festzustellen, dass die Konvention der Vereinten Nationen vom
9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, in Kraft
getreten am 12. Januar 1951, für die Bundesrepublik Deutschland am 22. Februar
1955 in Kraft getreten ist. Auch wenn diese Konvention nicht rückwirkend gilt, so
verhindert oder beeinträchtigt dies nicht die Übernahme von Verantwortung durch die
Bundesrepublik Deutschland für die Ereignisse von 1904, wie es bereits geschehen ist
und fortgeführt wird. In Ihrer Stellungnahme weist die Bundesregierung darauf hin,
dass sie mit der Haltung in die anstehenden Gespräche eintreten werde, dass es sich
bei den schrecklichen Geschehnissen um einen Völkermord handle, und verweist in
diesem Zusammenhang in der Verwendung des Begriffs auf die Präambel der
Völkermordkonvention von 1948.
Der Petitionsausschuss begrüßt ausdrücklich, dass die Beratungen zwischen der
Bundesregierung mit der namibischen Seite abgestimmte und angemessene Gesten
der Versöhnung und Verständigung zum Ziel haben, deren genaue Ausgestaltung
naturgemäß dem Ergebnis des politischen Dialogprozesses vorbehalten bleiben
muss. Der Petitionsausschuss unterstützt die Bundesregierung in ihrer Haltung, dass
die Ergebnisse dieses Prozesses zudem in eine gemeinsame deutsch-namibische
Erklärung miteinfließen sollten, welche die Bundesregierung anstrebt.
Der Petitionsausschuss hält es daher für angebracht, die vorliegende Petition der
Bundesregierung – dem Auswärtigen Amt – als Material zu überweisen und den
Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, damit die
Überlegungen der Petentin in den politischen Prozess mit einfließen können.
Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Antrag, die Petition der
Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen und den Fraktionen des
Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, ist mehrheitlich abgelehnt worden.
Begründung (pdf)