07/06/2016, 12:17
Pet 1-18-06-111-000214
Wahlrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 09.06.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Eingabe wird eine Absenkung der Altersgrenze für das aktive Wahlrecht auf
16 Jahre gefordert.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss eine auf der Internetseite des
Deutschen Bundestages veröffentlichte Eingabe mit 422 Mitzeichnungen und
44 Diskussionsbeiträgen sowie mehrere Eingaben mit verwandter Zielsetzung vor, die
wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen parlamentarischen Prüfung
unterzogen werden. Der Petitionsausschuss bittet um Verständnis, dass nicht auf alle
der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen ausgeführt, in einer stetig
alternden Gesellschaft beeinträchtige das zunehmende Übergewicht der älteren
Generation die hinreichende Vertretung der Interessen der jüngeren Generation. Da
junge Menschen sehr früh von den Entscheidungen des Parlaments betroffen seien,
sollten sie auch möglichst früh diese Entscheidungen mitbestimmen können. Von der
jungen Generation werde gefordert, dass sie immer schneller heranreife; im
Gegensatz dazu dürfe sie jedoch nicht früher wählen. Dieser Widerspruch müsse
aufgelöst und das Mindestwahlalter für das aktive Wahlrecht bei Bundestagswahlen
auf 16 Jahre abgesenkt werden. Das derzeitig gültige Wahlalter von 18 Jahren sei
kein „unabänderliches Naturgesetz“. Zwar könne die Reife einzelner Bürger mit
16 Jahren zweifelhaft sein, derartige Zweifel könnten jedoch auch bei 18-Jährigen
bestehen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen. Zudem hat er gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 der
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eine Stellungnahme des
Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages
eingeholt, dem der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Von Anfang an
beteiligen – Partizipationsrechte für Kinder und Jugendliche im demografischen
Wandel stärken“ (Drucksache 18/3151), mit dem u. a. auch eine Absenkung des
Wahlalters auf 16 Jahre gefordert wird, zur Beratung vorlag.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Einbeziehung der
seitens der Bundesregierung sowie des zuständigen Fachausschusses angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Der Petitionsausschuss weist darauf hin, dass die Altersgrenze für das Wahlrecht zum
Deutschen Bundestag im Grundgesetz (GG) und im Bundeswahlgesetz (BWG)
abschließend geregelt ist. Nach Artikel 38 Abs. 2, 1. Halbsatz GG ist wahlberechtigt,
wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat. Das Bundeswahlgesetz nimmt diese
Wahlaltersgrenze in § 12 Abs. 1 Nr. 1 BWG auf und präzisiert, dass alle Deutschen
wahlberechtigt sind, die am Wahltage das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben.
Dieselbe Altersgrenze gilt für das passive Wahlrecht: Nach Artikel 38 Abs. 2,
2. Halbsatz GG ist bei der Wahl zum Deutschen Bundestag wählbar, wer das Alter
erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt. Die Volljährigkeit tritt gemäß § 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.
Dementsprechend bestimmt § 15 Abs. 1 Nr. 2 BWG die Vollendung des
18. Lebensjahres am Wahltag als Wählbarkeitsvoraussetzung.
Der Ausschuss hebt hervor, dass die Festsetzung eines Mindestalters für das aktive
Wahlrecht in hinreichendem Maße das Vorhandensein eines für die Teilnahme an der
Wahl erforderlichen Grades an Reife und Vernunft sowie Verantwortungsbewusstsein
beim Wahlberechtigten gewährleistet. Ein eindeutiger – wissenschaftlicher – Maßstab
für die Erreichung dieser Wahlmündigkeit existiert nicht. Da es mit dem Grundsatz der
Demokratie jedoch unvereinbar wäre, individuell zu prüfen, ob ein hinreichender Grad
an Reife und Vernunft besteht, kann die Festsetzung eines bestimmten Mindestalters
zur Ausübung des Wahlrechts nur generalisierend erfolgen. Dabei sind die Einheit der
Rechtsordnung und die ihr zugrunde liegenden Wertungen zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang macht der Ausschuss darauf aufmerksam, dass in anderen
Rechtsgebieten wesentliche Rechtsfolgen an die Vollendung des 18. Lebensjahres
geknüpft sind. Mit diesem Alter treten die Volljährigkeit (§ 2 BGB) und damit die volle
zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit (vgl. § 106 BGB) sowie die volle zivilrechtliche
Deliktsfähigkeit (vgl. § 828 Abs. 3 BGB) ein; Jugendliche unter 18 Jahren sind nur
bedingt strafrechtlich verantwortlich (vgl. §§ 1 und 3 des Jugendgerichtsgesetzes). Bei
diesen Regelungen wird jeweils Rücksicht auf die noch nicht abgeschlossene geistige
Entwicklung von Jugendlichen genommen.
Nach dem Dafürhalten des Ausschusses wäre es mithin ein Wertungswiderspruch,
wenn man davon ausginge, dass Jugendliche mit 16 Jahren politisch
entscheidungsfähig wären, aber nur bedingt privatrechtliche Verpflichtungen eingehen
könnten und für verursachte Schäden haften müssten. Ebenso wäre es
widersprüchlich, Jugendlichen die Wahlfähigkeit zu bescheinigen, sie aber ggf. für
strafrechtlich nicht verantwortlich zu erachten, weil sie nach ihrer sittlichen und
geistigen Entwicklung nicht reif genug sind, das Unrecht einer Tat einzusehen und
nach dieser Einsicht zu handeln. Es wäre nicht schlüssig, wenn ein Jugendlicher zwar
über politische Schicksalsfragen des Landes mitentscheiden dürfte, für alle
maßgeblichen Fragen seines eigenen Schicksals, wie z. B. den Abschluss eines
Kauf-, Miet- oder Darlehensvertrages, jedoch die Zustimmung seiner Eltern bräuchte.
Mit einer Entkoppelung der Altersgrenzen für Volljährigkeit und Wahlfähigkeit
bestünde nach Auffassung des Ausschusses die Gefahr, dass die Politik zu einem
Lebensbereich nachrangiger Bedeutung abgewertet würde, was dem demokratischen
Prozess eher zum Nachteil als zum Vorteil gereichen würde.
Abschließend stellt der Ausschuss fest, dass der Deutsche Bundestag in seiner
125. Sitzung am 25. September 2015 den o. g. Antrag auf Drucksache 18/3151
entsprechend der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (Drucksache 18/5276) abgelehnt hat (vgl. Plenarprotokoll 18/125).
Nach umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage vermag sich der
Petitionsausschuss im Ergebnis daher nicht für eine Gesetzesänderung im Sinne der
Petition auszusprechen.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Petitionsausschuss, das Petitionsverfahren
abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Der von den Fraktionen DIE LINKE. und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte
Antrag, die Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen und
den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, ist mehrheitlich
abgelehnt worden.
Begründung (pdf)