20/10/2016, 4:22 π.μ.
Pet 4-18-07-401-023927
Schuldrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 22.09.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Die Petition
a) der Bundesregierung – dem Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz – als Material zu überweisen,
b) den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, dass Unternehmen und andere Institutionen das zum
Schutz der Verbraucher im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerte "Ordentliche
Kündigungsrecht des Darlehensnehmers" nicht für ihre Zwecke nutzen dürfen.
Zur Begründung trägt der Petent im Wesentlichen vor, § 489 Absatz 1 Nummer 2
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) würde aktuell von einer Vielzahl von Bausparkassen
dazu missbraucht, laufende Bausparverträge nach Zuteilungsreife, jedoch vor
Erreichen der 100%-Sparquote zu kündigen. Hierbei beriefen sie sich in Folge eines
Urteils des Landgerichts (LG) Mainz (AZ 5 O 1/14) auf § 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB.
Der Gesetzgeber solle hier Klarheit schaffen und vor dem Hintergrund dieses
Missbrauches den Anwendungsbereich des § 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB auf
Kündigungen durch Verbraucher beschränken.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 75 Mitzeichnern unterstützt,
und es gingen 8 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Nach der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur handelt es sich bei
Bausparverträgen um einheitliche Darlehensverträge i.S.v. § 488 ff. BGB, bei denen
die Vertragsparteien bei Inanspruchnahme des Bauspardarlehens die Rollen als
Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Die Bausparkasse ist hiernach bis
zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Darlehens durch den Verbraucher als
Darlehensnehmer anzusehen und kann sich auf § 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB
berufen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat – trotz bislang fehlender expliziter
Entscheidung dieser Frage – bereits erkennen lassen, dass er der Sichtweise der
überwiegenden Meinung zuneigt, BGH Urteil vom BGH vom 7. Dezember 2010,
Az. XI ZR 3/10 Rn 32 ff.
Eine Gegenauffassung aus der Literatur vertritt die Ansicht, dass bei Bausparverträgen
zwei eigenständige Darlehensverträge vorlägen. Sie begründet dies damit, dass bei
Abschluss des Bausparvertrags nicht absehbar sei, wann die Auszahlung des
Bauspardarlehens erfolgen wird. Außerdem stünde den Bausparkassen keine
Möglichkeit zu, die Einzahlung durch den Bausparer während der Ansparphase zu
forcieren.
Hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeit der Bausparkassen nach § 489 Absatz 1
Nummer 2 BGB gilt Folgendes:
§ 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB in seiner aktuellen Fassung beruht nicht auf einer
Regelung der Verbraucherkreditrichtlinie. Das Kündigungsrecht aus § 489 Absatz 1
Nummer 2 BGB steht nicht nur Verbrauchern offen, sondern auch Unternehmern als
Darlehensnehmer. Im Gegensatz zu den §§ 491 ff. BGB sind die §§ 488 ff. BGB auch
auf Verträge anwendbar, die ein Unternehmer als Darlehensnehmer abgeschlossen
hat.
§ 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB erlaubt einem Darlehensnehmer einen
Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise nach Ablauf von
zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens unter Einhaltung einer
Kündigungsfrist von sechs Monaten zu kündigen. Ob eine Bausparkasse zehn Jahre
nach erreichter Zuteilungsreife den Bausparvertrag kündigen kann, hängt daher
entscheidend davon ab, ob man die Zuteilungsreife des Bausparvertrages dem
„vollständigen Empfang des Darlehens“ gemäß § 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB
gleichsetzen kann.
Die Mehrzahl der vorliegenden – allerdings nur instanzgerichtlichen – Urteile stellt den
Moment der Zuteilungsreife dem vollständigen Empfang des Darlehens gleich und
sieht eine Kündigung durch die Bausparkasse nach § 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB
als zulässig an. Auch in der Literatur wird diese Auffassung überwiegend vertreten.
Dies wird damit begründet, dass es Sinn und Zweck des § 489 BGB sei, es dem
Darlehensnehmer zu ermöglichen, sich von einer überlangen Bindung zu befreien und
damit einen Interessenausgleich zwischen Darlehensgeber und -nehmer herzustellen.
Als sachgerechter Anknüpfungspunkt für den „vollständigen Empfang“ der Leistung
i.S.d. § 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB sei – mangels Berücksichtigung der
Besonderheiten des Bausparvertrags in der Regelung des § 489 Absatz 1 Nummer 2
BGB – der Zeitpunkt des Eintritts der Zuteilungsreife anzusehen. Schließlich stünde
es ansonsten dem Bausparer völlig frei, den Bausparvertrag zweckentfremdet als
festverzinsliche Kapitalanlage zu nutzen.
Das LG Karlsruhe (Urteil vom 9. Oktober 2015, Az. 7 O 126/15) sowie Weber
(BB 2015, 2185, 2187; ders., ZIP 2015, 961, 965) lehnen eine Kündigung nach
§ 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB durch die Bausparkasse in der Ansparphase hingegen
ab. Eine Kündigung sei der Bausparkasse erst möglich, nachdem die volle
Bausparsumme angespart sei. Die Bank habe bei Bausparverträgen in der
Ansparphase eine Doppelrolle als Darlehensgeberin und Darlehensnehmerin inne.
Eine Kündigung gemäß § 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB sei ihr angesichts dieser
Doppelrolle verwehrt (LG Karlsruhe aaO. S. 5).
Weber argumentiert, dass für Bausparer gerade keine Verpflichtung bestehe, das
Bauspardarlehen auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Würde man ein derartiges
Kündigungsrecht gewähren, würde man eine solche Abnahmeverpflichtung faktisch
schaffen. Der Wortlaut des § 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB fordere überdies einen
„vollständige(n) Empfang“ des Darlehens, der erst vorliege, wenn die volle
Bausparsumme eingezahlt worden sei. Überdies würde so das Risiko einer Änderung
des Zinssatzes einseitig auf den Verbraucher übergewälzt, obwohl gerade
Bausparverträge dazu bestimmt seien, unabhängig von Zinsschwankungen am
Kapitalmarkt weiterzulaufen.
Die Frage, ob Bausparkassen unter Berufung auf § 489 Absatz 1 Nummer 2 BGB
Bausparverträge zehn Jahre nach ihrer Zuteilungsreife mit einer Frist von sechs
Monaten kündigen können, ist demnach derzeit eine von der Rechtsprechung und der
Literatur kontrovers diskutierte Fragestellung. Eine Bewertung dieser Frage durch
Oberlandesgerichte oder den Bundesgerichtshof steht noch aus.
Aus Sicht des Petitionsausschusses liegt vor dem Hintergrund, dass selbst die
Rechtsprechung nicht einheitlich ist, für Verbraucher und Bausparkassen eine unklare
Rechtslage vor, die der Gesetzgeber aufgrund der großen praktischen Bedeutung
verbindlich regeln sollte. Der Ausschuss hält die Petition für geeignet, um auf den
bestehenden Handlungsbedarf aufmerksam zu machen.
Der Ausschuss empfiehlt daher, die Eingabe der Bundesregierung – dem
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – als Material zuzuleiten,
damit sie bei zukünftiger Gesetzgebung in die Überlegungen mit einbezogen wird, und
die Petition den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, da
sie als Anregung für eine parlamentarische Initiative geeignet erscheint.
Begründung (PDF)