Internet

Digitalisierung braucht wirksamen Kinderschutz vor Pornografie

Petition richtet sich an
Niedersächsischer Landtag, Kultusministerkonferenz, Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages
8.394 Unterstützende 8.098 in Deutschland

Sammlung beendet

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  1. Gestartet 2021
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog mit Empfänger
  5. Entscheidung

„Ich wurde die Bilder nicht mehr los. Pornos haben meine Phantasie vergiftet und meine Kindheit gestohlen.“ „Er (Bruder) hat das jahrelang an mir nachgemacht und mir Anweisungen gegeben, mich genauso wie die Frauen im Porno zu verhalten, mich wie eine Sache benutzt. Niemand ahnte was davon.“ „Das Kopfkino ging auch in der Schule weiter. Ich musste meine Mitschülerinnen und Lehrerinnen von Kopf bis Fuss abscannen und erniedrigen, obwohl ich das nicht wollte.“ „Meine vorher lebenslustige, offene Tochter war nicht mehr erreichbar, irgendwie abwesend und stumpf. Dann fand ich die Chatverläufe mit mehreren Männern – voller pornografischer Inhalte von ihr.“

Missbrauch macht Kinder stumm und lebt vom Wegschauen der Erwachsenen. Das gilt auch für den größten Missbrauchsskandal unserer Gesellschaft:

Kinder und Jugendliche sind frei zugänglicher, vielfach gewalthaltiger Pornografie im Internet alltäglich ausgesetzt. Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung von Schule und Kinderzimmer und der Ausstattung mit mobilen Endgeräten in immer jüngerem Alter werden bereits viele Grundschulkinder mit Inhalten konfrontiert, die ihre Grenzen verletzen und ihnen nachhaltig schaden. Ein großer Teil der Mainstream-Pornografie zeigt körperliche und verbale Gewalt, schwere Misshandlungen und die Entwürdigung von Frauen und Teenagern (A.J. Bridges et al, 2010; E. Shor, 2018).

Manche Kinder werden bei der Konfrontation mit solchen Inhalten traumatisiert, andere gewöhnen sich an den schnellen Kick als Selbstmedikation gegen Langeweile, Frust oder Einsamkeit. Je früher und häufiger Kinder mit Pornografie konfrontiert werden, desto mehr prägt es ihre Sicht auf Beziehungen und Sexualität. Ein regelmäßiger Konsum fördert nachweislich Vergewaltigungsmythen („Frauen/Mädchen wollen zum Sex gezwungen werden/genießen das“) und sexuelle Übergriffe, auch unter Minderjährigen.

Mehr als die Hälfte der 11- bis 13-jährigen Kinder hat schon Pornografie im Internet gesehen. Eine Mehrheit der Kinder spricht sich dafür aus, dass explizite Webseiten für sie gesperrt werden (Studie des British Board of Film Classification BBFC, 2019). Im Jugendalter ist Pornografiekonsum inzwischen zum normgebenden Faktor der sexuellen Sozialisation geworden: 71 % der 14-17-jährigen Jungen (10 % der Mädchen) konsumieren mehrmals wöchentlich bis täglich, 21 % sogar täglich Pornografie im Internet (WDR Quarks-Studie, 2017). Die gegenwärtig beschleunigte Digitalisierung von Bildungsprozessen wird nicht von entsprechenden technischen und pädagogischen Schutzmaßnahmen begleitet. Dadurch wird dem freiwilligen, jedoch illegalem Konsum bzw. auch der unfreiwilligen Konfrontation mit Pornografie weiter Vorschub geleistet.

Laut § 184 StGB ist das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen von pornografischen Inhalten an Personen unter 18 Jahren ein Straftatbestand. Dieses Gesetz wird angesichts der freien Zugänglichkeit harter Pornografie ohne Altersverifikation und angesichts der Ausstattung von Kindern und Jugendlichen mit internetfähigen Endgeräten ohne entsprechende Sicherheitssoftware und ohne diesbezügliche klare Vorgaben täglich millionenfach verletzt.

Laut Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention darf das Wohl von Kindern anderen Interessen und Maßnahmen niemals untergeordnet werden:  

„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“

Forderungen:

1. Die Digitalisierung von Schule und der damit verbundene immer frühere und zeitintensivere Internetgebrauch muss endlich von effektiven Kinder- und Jugendschutzmaßnahmen begleitet werden.

Dies schließt technische Lösungen wie verpflichtende Schutzsoftware ebenso ein wie systematische Aufklärung und Schulungen für Eltern und Lehrkräfte über die Risiken von kindlichem und jugendlichem Pornografiekonsum sowie über pädagogische Handlungsmöglichkeiten.

Prävention von Pornografiekonsum im Kindes- und Jugendalter sollte zudem fester Bestandteil in den Lehrplänen der mit Sexualaufklärung und Medienerziehung befassten Fächer werden.

2. Die freie Zugänglichkeit von Pornografie für Kinder und Jugendliche muss zudem durch die Verpflichtung von Pornoanbietern zur Einrichtung eines Altersverifikationssystems verhindert werden.

3. Die Herstellung, Verbreitung und der Besitz von Gewalt- und Folterpornografie, die Straftaten zeigt und verherrlicht (z.B. Vergewaltigungen, schwere Körperverletzung oder Rachepornografie) sowie von Tier-, Kinder- und Jugendpornografie (§ 184a/b/c StGB) muss konsequent verfolgt und bestraft werden.

4. Das Herstellen, Hochladen und Verbreiten von Nackt- und Sexdarstellungen bzw. Aufnahmen des Intimbereichs ohne die Einwilligung der Dargestellten (Revengeporn, Upskirting u.a.) soll als selbstständiger Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden.

Begründung

Die kommentarlose Duldung des Zugangs zu Pornografie unabhängig vom Alter der Betrachter stellt einen massiven Eingriff in die sexuelle Sozialisation der jungen Generation dar.

Kinder mit pornografischen Inhalten zu konfrontieren bzw. durch entsprechende Bilder, Filme oder Reden auf sie einzuwirken, ist eine Form von sexuellem Missbrauch (StGB §176, (4) 4.).

Zahlreiche internationale Studien belegen[1], dass regelmäßiger Pornografiekonsum die Akzeptanz von sexueller Gewalt erhöht wie auch die Bereitschaft, diese in die Tat umzusetzen. Tägliche Konsumenten (männliche Jugendliche) sind dreimal so häufig Täter von sexuellem Missbrauch wie seltenere Konsumenten und konsumieren sechsmal so häufig auch Kinderpornografie (Priebe et al, 2007). Laut BKA waren 2019 bereits 41 % der Tatverdächtigen im Bereich Kinderpornografie unter 21 Jahren (2018: 26 %), 23 % zwischen 14 und 18 Jahren (2018: 13 %)[2]. Pornografiekonsum fördert zudem sexting und sexuelle Belästigung im Netz. Männliche Jugendliche, die häufiger Pornografie konsumieren, nehmen Mädchen verstärkt als austauschbare Sexobjekte wahr, neigen zu mehr sexueller Aggression, auch innerhalb von Beziehungen, und äußern wesentlich häufiger den Wunsch, zu Prostituierten zu gehen und gewalttätige Praktiken umzusetzen. Mädchen, die Pornografie konsumieren, werden häufiger Opfer von sexueller Gewalt und fühlen sich stark unter Druck gesetzt, den dort vermittelten Schönheits- und Sexnormen zu entsprechen. Viele Mädchen lassen sich dadurch auf pornonormierte Praktiken ein, die sie als schmerzhaft, eklig oder entwürdigend empfinden.

Pornokonsum hat zudem ein hohes Suchtpotential und gefährdet die Empathie- und Beziehungsfähigkeit. Längsschnittstudien zeigen: Je häufiger Jugendliche Pornografie konsumieren, desto mehr trennen sie Sexualität von jedem Beziehungskontext und halten Gelegenheitssex für normal.[3]

Der Einfluss von Pornografie auf Persönlichkeitsentwicklung, Beziehungsfähigkeit und die Zunahme von sexueller Gewalt wird bislang unterschätzt oder verschwiegen. In der Prävention von sexueller Gewalt und in der Vermittlung von Medienkompetenz muss dieser Tatsache zukünftig angemessen Rechnung getragen werden. Es reicht nicht aus, Heranwachsenden zu vermitteln, Pornos seien "nicht realistisch".

Politik und Gesellschaft müssen endlich die Verantwortung dafür übernehmen, Kinder und Jugendliche vor den vielfältigen Formen sexueller und emotionaler Grenzverletzungen durch frei zugängliche Pornografie konsequent zu schützen.

https://doi.org/10.1177%2F1077801210382866 Ana J. Bridges et al, 2010: Aggression and Sexual Behavior in Best-Selling Pornography Videos: A Content Analysis Update

https://doi.org/10.1177%2F1077801218804101 Eran Shor, 2018: Age, Aggression, and Pleasure in Popular Online Pornographic Videos

http://applications.devbureau.de/Porno-Auswertung-Charts/ WDR Quarks-Studie 2017

https://www.bbfc.co.uk/about-us/news/children-see-pornography-as-young-as-seven-new-report-finds

https://doi.org/10.1177/0886260516633204 N.Stanley et al, 2016: Pornography, Sexual Coercion and Abuse and Sexting in Young People’s Intimate Relationships: A European Study

https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/00224499.2016.1143441 J. Peter & P.M. Valkenburg, 2016: Adolescents and Pornography: A Review of 20 Years of Research

[1] U.a. Stanley et al, 2016, Peter & Valkenburg, 2016, Priebe et al, 2007, Wright et al, 2014, 2016, Layden, 2016 u.v.m. Eine Zusammenfassung der internationalen Wirkungsforschung findet sich in dem Praxisbuch zur Prävention von jugendlichem Pornografiekonsum „Fit for Love?“ (www.fit-for-love.org)

[2] Pressemitteilung des BKA, Holger Münch, 11.05.2020.

[3] U.a. Längsschnittstudien unter niederländischen Jugendlichen, Peter & Valkenburg, 2006, 2008, 2010

Vielen Dank für Ihre Unterstützung, Tabea Freitag aus Haste
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Neuigkeiten

  • Mehr als ein Jahr ist vergangen seit Einreichen unserer Petition „Digitalisierung braucht wirksamen Kinderschutz vor Pornografie“ – Zeit für ein update:
    Vom Hauptadressaten der Petition, der Kultusministerkonferenz, habe ich entgegen mündlicher Zusagen (bei meinen wdh. telefon. Nachfragen), bisher leider keine Antwort und Reaktion erfahren. Die intendierte Fahrtrichtung scheint auch eher in die entgegengesetzte Richtung zu gehen: Noch frühere Digitalisierung bereits der Grundschulen, meist ohne effektive Schutzmaßnahmen. So warb bei unserer Landtagswahl in Niedersachsen die hiesige SPD mit der Ausstattung mit Tablets ab der 1. Klasse. Dass man damit auf Stimmenfang gehen kann, zeigt, wie gering Internetrisiken und Kinderschutzanliegen im öffentlichen... weiter

  • Liebe Unterzeichner/innen,

    nach Zeichnungsende der Petition am 26.9. habe ich in Anschreiben an die Adressaten der Petition um Termine zur Übergabe und Anhörung des Anliegens gebeten. Nach dem Ausbleiben von Antworten und weiteren Briefen (u.a. erneut an die Präsidentin der Kultusministerkonferenz), zahlreichen Telefonaten und Mails wurde ich im wiederholten Kreisverkehr weitergereicht, versprochene Rückmeldungen blieben wieder und wieder aus und nicht mal ein Termin zur Übergabe der Petition wurde gewährt.

    Es wurde überdeutlich, dass diesem Anliegen des Kinder- und Jugendschutzes keinerlei Aufmerksamkeit und Gehör eingeräumt wird, während der Digitalisierung von Schulen (incl. Grundschulen) ohne entsprechende technische und pädagogische... weiter

  • Liebe Unterzeichner/innen,
    Endspurt: Die Zeichnungsfrist unserer Petition „Kinder vor Pornos schützen“ endet in einer Woche, um sie Anfang Oktober in der Kultusministerkonferenz einzureichen. Die Vorbereitungen dafür laufen.
    Die Dringlichkeit des Anliegens wird immer offensichtlicher: Schulen melden sich bei uns, nachdem Kinder und Jugendliche kinderpornografische Videos nicht nur „konsumiert“ und verbreitet, sondern zunehmend auch selbst „hergestellt“ haben. Auch sexuelle Belästigung und Übergriffe via social media werden alltäglicher.

    Ich wäre Euch darum dankbar, wenn Ihr in dieser letzten Woche die Petition noch mal an Freunde, Verwandte, KollegInnen … weiterleitet oder über social media bekannt macht. Gerne auch an Lehrkräfte und Schulleitungen... weiter

Wenn es um den Schutz von Kindern vor sexuellen Grenzverletzungen geht, müssen alle Verantwortlichen, d.h. Politik, Bildungseinrichtungen, IT-Industrie, Anbieterplattformen und Eltern, wie in der Petition gefordert, Verantwortung übernehmen. Das Verschieben der Verantwortung alleine auf die Eltern (siehe Contra-Beiträge) bedeutet, alle Kinder mit den grenzverletzenden Inhalten allein zu lassen, deren Eltern oder alleinerzieh. Elternteil nicht über entsprech. IT-Kenntnisse verfügen. Zudem wird Pornografie vielfach auch im PC-Raum der Schule, auf schulischen Laptops oder im Klassenchat geschaut

1) „Wirksame Schutz-Software“ ist weitgehend eine Illusion. 2) Die Petition ignoriert vollkommen, daß das Internet eine „weltweite Veranstaltung“ ist, Alterskontrollvorschriften aber nicht global durchgesetzt werden können. 3) Wollte man die Forderungen trotz obengenannter Probleme umsetzen, bekämmen wir ein „Internet“ nach den Mustern von China und Saudi-Arabien. 4) Welche Art von Pornographie für Kinder und Jugendliche welchen Alters wie schädlich ist, ist keineswegs wissenschaftlich geklärt. 5) Gesetze und vorherrschende Meinungen bezüglich „Jugendschutz“ sind stark kulturell gefärbt.

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