Die Petentin fordert, § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) dahingehend zu ändern, dass Sorgerechtsrechtsbeschlüsse, die im Hauptsacheverfahren ergehen, erst mit Rechtskraft wirksam werden.
Uzasadnienie
Sorgerechtsbeschlüsse werden mit ihrer Bekanntgabe, also meist mit der Zustellung wirksam und damit vollstreckbar. Dies ist auf jeden Fall für solche sinnvoll, die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig ergangen sind. Für Sorgerechtsbeschlüsse, die im normalen Hauptsacheverfahren ergangen sind, ist dies jedoch problematisch: Denn mit Bekanntgabe zum Beispiel des Entzugs des alleinigen Sorgerechts für den einen wird dem anderen, nun alleinsorgeberechtigten Elternteil ungehindert ermöglicht, unter Umgehung des anderen sowie unter Verletzung des natürlichen Elternrechts des Entmündigten trotz laufender Rechtsmittelfrist oder anhängigen Beschwerdeverfahrens bezüglich des Sorgerechtsentzugs seinen Willen und seine Interessen durchzusetzen, so dass der alleinige Sorgerechtsinhaber in dieser Zeit Rechtsgeschäfte oder andere Handlungen wie Aufenthaltswechsel der Kinder durchführen kann, die nur schwer rückgängig zu machen sind und deswegen meist nicht immer dem Kindeswohl dienen und nur aus dem eigentlichen Paarkonflikt resultieren. Die Wirksamkeit von Sorgerechtsbeschlüssen, die im Hauptsacheverfahren ergangen sind, sind deshalb an die formelle Rechtskraft zu knüpfen, um so unzulässige Rechtsmissbräuche der alleinigen Sorge einzuschränken.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 18.06.2015 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte. Begründung
Die Petentin fordert, § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in
Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
dahingehend zu ändern, dass Sorgerechtsbeschlüsse, die im Hauptsacheverfahren
ergehen, erst mit Rechtskraft wirksam werden.
Zur Begründung trägt die Petentin im Wesentlichen vor, dass die Regelung des
Wirksamwerdens mit Bekanntgabe im einstweiligen Verfahren sinnvoll sei, aber im
Hauptsacheverfahren nicht auf die Bekanntgabe abgestellt werden solle, wenn die
Rechtsmittelfrist noch läuft, da dies Rechtsmissbrauch ermögliche.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die von der
Petentin eingereichten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 39 Mitzeichnern
unterstützt, und es gingen keine Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Gemäß § 40 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in
den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) wird ein Beschluss
wirksam mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem wesentlichen Inhalt
nach bestimmt ist. Der Beschluss ist den Beteiligten bekannt zu geben; ein
anfechtbarer Beschluss ist demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht
entspricht, § 41 Absatz 1 FamFG. Gemäß § 86 Absatz 2 FamFG sind Beschlüsse mit
Wirksamwerden vollstreckbar.
Die Regelung des § 40 Absatz 1 FamFG entspricht der früheren Rechtslage und soll
besonders in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit dem Bedürfnis nach einem
schnellen Wirksamwerden der Entscheidung Rechnung tragen (vgl. die
Gesetzesbegründung des FamFG, BT-Drs. 16/6308, Seite 196).
Ausnahmen von der Wirksamkeitsvorschrift sind gesetzlich ausdrücklich geregelt und
betreffen Entscheidungen, die nach der Art des Verfahrensgegenstands faktisch oder
hinsichtlich der Rechtswirkungen nicht mehr oder nur mit unzumutbaren Folgen
rückgängig zu machen wären. Dazu gehören unter anderem Beschlüsse über die
Genehmigung eines Rechtsgeschäfts (§ 40 Absatz 2 FamFG), Endentscheidungen
über Abstammungssachen (§ 184 Absatz 1 Satz 1 FamFG) oder Anordnungen von
Freiheitsentziehungen (§ 422 Absatz 1 FamFG).
Sorgerechtsentscheidungen sind nach der Art des Verfahrensgegenstands von der
faktischen oder rechtlichen Unmöglichkeit der Rückgängigmachung nicht
typischerweise betroffen. Daneben hat das Beschwerdegericht gemäß § 64 Absatz 3
FamFG die Möglichkeit, vor der Endentscheidung eine einstweilige Anordnung zu
erlassen, und es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des
angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist, § 64 Absatz 3 Halbsatz 2 FamFG.
Hinzu kommen das in Sorgerechtsverfahren geltende Kindeswohlprinzip und das
auch in bestimmten Sorgerechtsstreitigkeiten geltende Vorrang-und
Beschleunigungsgebot. Danach ist das Verfahren – auch vor dem Hintergrund des
kindlichen Zeitempfindens – zum Wohle des Kindes in allen Rechtszügen und in
jeder Lage des Verfahrens vorrangig und beschleunigt durchzuführen. Dies soll eine
Verkürzung der Verfahrensdauer bewirken und einer Zuspitzung des Elternkonflikts
im laufenden Verfahren entgegenwirken.
Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht
für eine Gesetzesänderung im Sinne der Petition auszusprechen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.Begründung (pdf)