Petition richtet sich an:
Tim Grüttemeier
Junger Flüchtling in bundesgeförderter Qualifizierungsmaßnahme beim Besuch der Ausländerbehörde von Betreuerin getrennt und in Abschiebehaft genommen worden.
Am 27.02.2020 hatte Saddam S. einen Termin beim Ausländeramt der Stadt Aachen, zu dem er von einer Mitarbeiterin der gemeinnützigen Arbeitsmarktförderungsgesellschaft low-tec begleitet wurde. Vor Ort wurde er von seiner Begleitung getrennt, welcher dann in einem Nebenraum eröffnet wurde, dass Saddam S. jetzt dem Richter vorgeführt werde um ihn in Abschiebehaft zu nehmen. Einwände von Seiten der Begleiterin, dass Saddam S. der Klassenbeste des Qualifizierungsprojekts sei, kurz vor der Integration in den Arbeitsmarkt stehe und gerade heute seinen neuen, gültigen pakistanischen Personalausweis vorlegen wollte, blieben unberücksichtigt.
Nachfragen nach dem Anlass für die Haft wurden nicht beantwortet. Knapp zwei Stunden nach dem Termin beim Ausländeramt war Saddam S. auf dem Weg in die Abschiebehaftanstalt Büren.
Wir bitten Sie daher dringend, sich für die sofortige Freilassung von Saddam S. einzusetzen und seine unmittelbar bevorstehende Abschiebung zu stoppen.
Für Ihre Solidarität sowie Unterstützung bedanken wir uns herzlichst!
Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
wir wenden uns mit dieser Petition an Sie mit der dringenden Bitte, sich für die sofortige Freilassung unseres Klienten, Maßnahmeteilnehmers, Mitschülers und Freundes Saddam aus der Abschiebehaftanstalt Büren einzusetzen und seine bereits für den 03.03.2020 vorgesehene Abschiebung zu stoppen.
Die Abschiebung Saddam widerspricht allem, was aus dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) und aus den Kreisen der Aachener Politik in den letzten Jahren als Weisung und als politischer Wille formuliert worden ist. Die Devise „Integration belohnen, Straftäter abschieben“, die wir immer wieder vernehmen – und die in unserer Wahrnehmung breiten gesellschaftlichen Konsens findet –, findet hier keine Anwendung.
Die Abschiebung des gut integrierten Saddam steht zudem in krassem Widerspruch zu der gemeinsamen Initiative „Durchstarten für Ausbildung und Arbeit“ des MAGS und des MKFFI NRW, mit der das Land NRW gerade die Integration junger Geduldeter im Alter zwischen 18 und 27 Jahren fördern will. Es ist völlig unverständlich und kontraproduktiv, dass die Ausländerbehörde einen gut integrierten jungen Heranwachsenden abschieben will, während das Land NRW gleichzeitig für die Integration gerade dieser Zielgruppe im Rahmen der Initiative „Durchstarten für Ausbildung und Arbeit“ 50 Mio. € zur Verfügung stellt. Die Stadt Aachen beteiligt sich an dieser Initiative mit einem breiten gesellschaftlichen Konsens.
Zur Person von Saddam S:
Saddam ist ein 22-jähriger junger Mann, der im Libanon geboren wurde, jedoch über seinen Vater die pakistanische Staatsangehörigkeit hat. Seine Mutter ist aus Bangladesch, die beiden Eltern haben sich im Libanon kennengelernt. Saddam verbrachte seine Kindheit im Libanon, wo er Arabisch lernte, bis seine Eltern wegen der zunehmend prekären Sicherheitslage im Jahr 2004 mit ihm nach Griechenland flohen. In Griechenland lebte die Familie etwa acht Jahre. Saddam besuchte dort die Schule; er spricht immer noch fließend Griechisch und Englisch. Im Jahre 2012 erfolgte die Weiterreise der Familie nach Italien, wo Saddam wiederum die Schule besuchte und Italienisch lernte.
Im Jahre 2014, vor knapp sechs Jahren, erfolgte schließlich die Einreise nach Deutschland. In Europa hält sich die Familie seit etwa 16 Jahren auf, den weit überwiegenden Teil von Saddams jungem Leben. Die Familie stellte hier einen Asylantrag, welcher für Saddam und seinen Vater abgelehnt wurde, für die Mutter jedoch zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen führte.
Hier in Deutschland hat sich Saddam vorbildlich integriert. Er absolvierte einen guten Realschulabschluss mit der Note gut im Fach Deutsch auf der Niveaustufe B2/C1. Sein ursprüngliches Ziel war es, in Deutschland zu studieren, was ihm seine Lehrer durchaus zugetraut hätten. Aufgrund seines unsicheren Aufenthaltsstatus‘ hat sich Saddam dann jedoch für die Aufnahme einer Ausbildung entschieden.
Im Frühjahr 2019 begann er eine Einstiegsqualifizierung bei ALDI zum Verkäufer im Einzelhandel. Gerne hätte Saddam dort im Anschluss eine Ausbildung angefangen, was ihm jedoch von der Ausländerbehörde Aachen auf Nachfrage verweigert wurde. Von deren Seite hieß es damals, dass Saddam S. nur mit einem Reisepass eine Ausbildung beginnen dürfe (Saddam hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen pakistanischen Personalausweis bei der Behörde vorgelegt, welcher jedoch abgelaufen war; nach hiesigem Dafürhalten hätte dies als Identitätsklärung für die Genehmigung der Ausbildung dennoch ausreichen können). Um den Anschluss an den Arbeitsmarkt während der laufenden Passbeschaffung nicht zu verlieren, meldete sich Saddam bei einer örtlichen Arbeitsmarktförderungsgesellschaft an, die ein spezialisiertes Projekt für die Arbeitsmarktintegration junger Geflüchteter hat (Projekt VORTEIL AACHen – DürEN von low-tec).
Saddam ist dort Klassenbester und allseits beliebt, er wurde von seinen Mitschülern sogar zum stellvertretenden Klassensprecher gewählt. Noch im Januar 2020 absolvierte er ein sehr gutes Praktikum in einem Aachener Hotel und entdeckte den Beruf des Hotelfachmanns für sich.
Auch privat hat sich Saddam vorbildlich integriert. Er ist nie strafrechtlich in Erscheinung getreten und spricht sehr gut Deutsch (darüber hinaus Englisch, Griechisch, Arabisch, Italienisch und Bengalisch). Mit diesen Sprachkenntnissen übersetzt er oft ehrenamtlich für Mitschüler und Freunde.
Saddam wohnt bei seinen Eltern und kümmert sich liebevoll um seine Mutter, die an mehreren internistischen und orthopädischen Gebrechen leidet und auf Hilfe angewiesen ist.
Dieser gut integrierte, hoffnungsvolle junge Mann sitzt nun in der Abschiebehaftanstalt in Büren und soll bereits in wenigen Tagen nach Pakistan abgeschoben werden, ein Land, in dem er noch nie gewesen ist, dessen Hauptverkehrssprachen er nicht beherrscht und in dem er völlig auf sich allein gestellt ist.