Betriebsverfassung - Änderung des § 118 Betriebsverfassungsgesetz (Geltung für Tendenzbetriebe und Religionsgemeinschaften)

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
392 Unterstützende 392 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

392 Unterstützende 392 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2011
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

29.08.2017, 16:44

Pet 4-17-11-8010-025002Betriebsverfassung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 13.06.2013 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Der Petent fordert, der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass in
§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Begriffe "karitativen" und "erzieherischen" und in
§ 118 Abs. 2 BetrVG der Passus "und ihre karitativen und erzieherischen
Einrichtungen" ersatzlos gestrichen werden.
Zur Begründung führt der Petent im Wesentlichen aus, dass Hospize, Altenheime,
Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Werkstätten für behinderte Menschen
heute über Sozialversicherungen, die Praxisgebühr oder Steuergelder quasi
ausschließlich durch die Allgemeinheit finanziert würden. Die Einrichtungen seien
demzufolge auch für alle Menschen als Leistungsempfänger frei zugänglich, ohne
dass eine Glaubenszugehörigkeit den Zugang verwehre. Für Arbeiter oder
Angestellte in diesen Einrichtungen sei eine freie Zugänglichkeit in sogenannten
Tendenzbetrieben jedoch nicht gegeben, so dass sich in diesem Bereich ein nicht
mehr erklärbares Ungleichgewicht zwischen Gesellschaft und Arbeitswelt entwickelt
habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Petenten eingereichten
Unterlagen Bezug genommen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde durch 392 Mitzeichnungen unterstützt.
Außerdem gingen 28 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe eine Stellungnahme des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingeholt. Darin erläutert das
BMAS im Wesentlichen die geltende Rechtslage.

Ein am 12. April 2011 in den Bundestag mit der Petition weitestgehend sachgleicher
Antrag zur Situation von Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen (Drs. 17/5523)
wurde an den zuständigen Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Dessen
Beschlussempfehlung auf Drs. 17/10872 hat das Plenum nach eingehender
Beratung am 13. Dezember 2012 zugestimmt (Plenarprotokoll 214, S. 26276 ff.). Der
Deutsche Bundestag hat sich damit gegen eine Änderung des
Betriebsverfassungsgesetzes in der vom Petenten geforderten Form ausgesprochen
und Privilegierung sog. Tendenzbetriebe beibehalten.
In seiner parlamentarischen Prüfung kommt der Petitionsausschuss zu folgendem
Ergebnis:
Das Verhältnis des Staates zu den Kirchen in Deutschland ist in Artikel 140 des
Grundgesetzes durch einen Bezug auf die Artikel 136, 137, 138 und 139 und 141 der
Verfassung des Deutschen Reichs geregelt. Die für die Begründung und Gestaltung
von Dienstverhältnissen maßgebliche Garantie, das sog. Kirchliche
Selbstbestimmungsrecht, enthält Artikel 137 Absatz 3 der Verfassung des Deutschen
Reichs: „Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten
selbständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Sie verleiht ihre
Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“ Es ist danach
ausschließlich Sache der Kirche zu bestimmen, welche Ämter in ihr bestehen,
welche Anforderungen an die Person des Amtsinhabers zu stellen sind und welche
Rechte und Pflichten mit dem Amt verbunden sind.
Zunächst bedeutet dies, dass die Kirchen selbst entscheiden können, ob sie ihre
Dienste durch den Abschluss von Arbeitsverträgen regeln. Wenn sie sich dafür
entscheiden, gilt das staatliche Arbeitsrecht. Dies ist allerdings im Licht des
verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrechts der Kirchen auszulegen, etwa
soweit besondere Loyalitätsanforderungen gestellt werden (z. B.
Konfessionszugehörigkeit als Voraussetzung für den Abschluss eines
Arbeitsvertrages oder Kündigung bei Kirchenaustritt). Die Loyalitätsanforderungen
können auch das außerdienstliche Verhalten erfassen. Maßgeblich ist dann, ob die
konkret ausgeübte Tätigkeit des kirchlichen Arbeitnehmers eine solche Nähe zu
kirchlichen Aufgaben hat, dass der sie ausübende Arbeitnehmer mit der Kirche
identifiziert wird und deshalb die Glaubwürdigkeit der Kirche berührt ist, wenn er sich
in seiner privaten Lebensführung nicht an die tragenden Grundsätze der kirchlichen
Glaubens- und Sittenlehre hält.

Das kirchliche Arbeitsrecht gilt für die sogenannte verfasste Kirche, also die
eigentliche Kirchenorganisation, aber auch für privatrechtliche Organisationen, wie
z. B. Diakonie und Caritas, sowie kirchliche Kindergärten, Krankenhäuser,
Pflegeeinrichtungen etc. in kirchlicher Trägerschaft. Das kirchliche
Selbstbestimmungsrecht steht nicht nur der verfassten Kirche oder
Religionsgemeinschaft als solcher zu, sondern allen ihren Einrichtungen, soweit sie
nach kirchlichem Selbstverständnis ihren Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend
berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen. Deshalb sind nicht
nur die organisierte Kirche und deren rechtlich selbständigen Teile, sondern alle der
Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre
Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei
ist, wenn ihre Einrichtungen nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder
ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche
wahrzunehmen und zu erfüllen. Dazu gehören unabhängig von der Rechtsform
jedenfalls diejenigen kirchlichen Einrichtungen, die karitativ-diakonischem Wirken
zuzuordnen sind, das heißt der tätigen Nächstenliebe, also kirchlich getragene
Krankenpflege, aber auch allgemein die an den religiösen Grundanforderungen
ausgerichtete Fürsorge für hilfsbedürftige Menschen einschließlich ihrer Erziehung
und Ausbildung. Dass sich die Kirche zur Erfüllung ihres Auftrages einer
Organisationsform des staatlichen Rechts bedient, hebt die Zuordnung der
Einrichtung zur Kirche nicht auf. Ebenso wenig kann die Mitwirkung von Laien bei der
Verwaltung eine Lockerung der Zuordnung zur Kirche begründen. Nach dem
Selbstverständnis der Kirchen zählt zur Ausübung ihrer Religion auch die Entfaltung
und Wirksamkeit in der Welt im Rahmen karitativen Wirkens als Form der tätigen
Nächstenliebe.
Der Petitionsausschuss stellt fest, dass die rechtlichen Regelungen der Artikel 136,
137, 138 und 139 und 141 der Verfassung des Deutschen Reichs geltendes
Verfassungsrecht sind.
Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht
für eine Gesetzesänderung im Sinne des Petenten auszusprechen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen des Petenten nicht entsprochen werden konnte.
Der von der Fraktion DIE LINKE. gestellte Antrag, die Petition der Bundesregierung –
dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales – zu überweisen, ist vom Ausschuss
mehrheitlich abgelehnt worden.

Begründung (PDF)


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