06.07.2016, 12:16
Pet 1-18-12-9302-018533
Eisenbahnbaurecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 09.06.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, Kommunen, die an der Finanzierung von
Bahnstrecken beteiligt waren, einen Zustimmungsvorbehalt bei deren Umnutzung für
andere Schienenverkehre, wie Fern- oder Güterverkehr, zu gewähren.
Zu dieser Petition, die auf der Internetseite des Deutschen Bundestages
veröffentlicht wurde, liegen dem Petitionsausschuss 61 Mitzeichnungen und
11 Diskussionsbeiträge vor. Es wird um Verständnis gebeten, dass nicht auf jeden
Gesichtspunkt gesondert eingegangen werden kann.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen vorgetragen, mit dem Konzept
zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Erarbeitung des
Bundesverkehrswegeplans 2015 sei die Öffentlichkeit erstmals als ein wichtiger
Akteur an der Aufstellung eines Bundesverkehrswegeplanes (BVWP) beteiligt
worden. Die Umnutzung von Schienenstrecken des Öffentlichen
Personennahverkehrs (ÖPNV) für den Güterverkehr sei gegenwärtig kaum zu
verhindern. Lärmschutzansprüche an Schienenstrecken seien jedoch nur schwer
durchzusetzen. Sehr konkret zeige sich dies an den Plänen für die sogenannte
"Kleine Pfalzlösung" zwischen Ludwigshafen am Rhein und Wörth. Für den Bau der
Stadtbahn Karlsruhe zwischen Wörth und Germersheim müsste dort ein zweites
Gleis angelegt und die gesamte Strecke elektrifiziert werden. Zur Finanzierung der
Vorhaben würden auch Mittel der Städte, der Verbandsgemeinden und des
Landkreises Germersheim aufgewendet werden. Die Deutsche Bahn (DB) AG
beabsichtige nun, hier mit relativ geringem Investitionsvolumen, eine zusätzliche
Schienengüterverkehrstraße zu schaffen. Dieser zusätzliche Streckenausbau würde
zu Lasten der Anrainer gehen, denn aufgrund der geplanten Stadtbahnstrecke sei
bislang lediglich von einem geringen Güterzugverkehr auszugehen. Auch die
Kommunen hätten ihre Bau- und Gewerbegebiete ohne Berücksichtigung dieses
Vorhabens der DB AG ausgewiesen. Neben der insbesondere nächtlichen
Lärmbelästigung durch den geplanten Güterverkehr werde es in den Orten ohne
kreuzungsfreie Straßenverbindung zu längeren Schrankenschließzeiten kommen.
Daraus könnten sich Probleme für Feuerwehr- und Rettungseinsätze ergeben.
Die mit der Petition geforderte gesetzliche Regelung sei im Hinblick auf die
Beschlussfassung zum BVWP 2015 rechtzeitig zu treffen und zwingend für die im
BVWP enthaltenen Verkehrsprojekte anzuwenden. Die Kommunen an dem in Rede
stehenden Streckenabschnitt hätten mit der Kostenbeteiligung an der Stadtbahn in
ihre Zukunft investiert, teilweise hätten sie dazu Darlehen oder Kredite
aufgenommen. Ein Mitspracherecht bzw. ein Zustimmungsvorbehalt der Kommunen
bei der Umnutzung von Schienenstrecken müsse Teil des geltenden
Investorenschutzes sein.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen und zur Vermeidung von
Wiederholungen wird auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Einführend weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass es sich bei der
Schienenstrecke Ludwigshafen (Rhein) – Germersheim – Wörth um eine
Eisenbahninfrastruktur der Eisenbahnen des Bundes handelt. Vor diesem
Hintergrund kann der mit der Petition vorgetragenen Forderung, Kommunen, die an
der Finanzierung von Bahnstrecken beteiligt waren, einen Zustimmungsvorbehalt bei
der Umsetzung für andere Schienenverkehre, wie Güter- oder Fernverkehr,
einzuräumen, nicht entsprochen werden.
Darüber hinaus hält der Ausschuss fest, dass die
Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach § 14 Allgemeines Eisenbahngesetz eine
diskriminierungsfreie Benutzung der von ihnen betriebenen Eisenbahninfrastruktur zu
gewähren haben. Dies betrifft den sowohl den Personennah- als auch den
Personenfern- und Güterverkehr.
Grundsätzlich gilt, dass es für die Nutzung einer bestehenden Schienenstrecke im
Rahmen der bestehenden Kapazität keine Beschränkungen auf eine Verkehrsart
gibt. Der Betreiber eines Schienenwegs erstellt jährlich einen Netzfahrplan. Die sog.
Trassen, also zeitlich begrenzte Nutzungsmöglichkeiten eines Abschnitts des
Schienenwegs, werden den Zugangsberechtigten auf Antrag in einem Verfahren
nach §§ 8f. Eisenbahninfrastrukturbenutzungsverordnung zugewiesen. Kapazitäten
für den Gelegenheitsverkehr sind gemäß § 14 der Verordnung freizuhalten.
Der Neu- oder Ausbau einer Eisenbahninfrastruktur der Eisenbahnen des Bundes
kann grundsätzlich aus verschiedenen Finanzierungsquellen erfolgen. Eine
Finanzierung kann nach Bundesschienenwegeausbaugesetz, nach
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, nach Regionalisierungsgesetz, durch EU-
Zuschüsse aus der Connecting Europe Facility, durch Eigenmittel des
Eisenbahninfrastrukturbetreibers oder durch anderweitige Zuschüsse, etwa durch
das Ausland, die Bundesländer oder eine Kommune erfolgen. Die Finanzierung aus
diesen Quellen ist an Bedingungen oder vertragliche Vereinbarungen geknüpft. Dies
ändert aber nichts an den Eigentumsverhältnissen und den rechtlichen Vorgaben.
Soweit mit der Petition die Annahme geäußert wird, die DB AG beabsichtige
außerdem eine zusätzliche Schienengüterverkehrstraße zu schaffen, weist der
Ausschuss darauf hin, dass jeder Neubau und jede Änderung von Betriebsanlagen
der Eisenbahn nach dem Gesetz der vorherigen Zulassungsentscheidung der
Planfeststellungsbehörde – dem Eisenbahnbundesamt (EBA) – bedarf. Zu den
Betriebsanlagen einer Eisenbahn zählen insbesondere der Schienenweg,
Ingenieurbauwerke (wie Brücken, Tunnel, Durchlässe), Erdbauwerke (wie Dämme,
Einschnitte, Böschungen), Signal-, Sicherungs- und Telekommunikationsanlagen,
Bahnhöfe und Haltepunkte. Die Planfeststellungsbehörde entscheidet unter anderem
darüber, ob das Vorhaben technisch machbar ist, ob die geplante Ausführung den
geltenden Sicherheitsstandards entspricht, ob der Bau oder die Änderung der Anlage
private oder öffentliche Belange berührt und wie diese in der Planrechtsentscheidung
zu berücksichtigen sind.
Der Petitionsausschuss hält fest, dass die Schienenstrecken Bingen–Hochspeyer–
Neustadt (Weinstr.) –Landau–Karlsruhe und Schifferstadt–Germersheim–Wörth–
Karlsruhe derzeit vom Schienengüterverkehr nur eingeschränkt nutzbar sind. Unter
anderem fehlt eine Verbindungskurve zwischen Karlsruhe West und Forchheim.
Die zur Lösung dieses Problems entworfene, sogenannte Dammerstocker Kurve
würde die Nord-Süd-Verkehre ohne einen Richtungswechsel in Karlsruhe
ermöglichen.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat
Schienenstrecken entlang des Rheins zwischen Köln und Karlsruhe auf ihren
Ausbaubedarf untersucht. Die Ergebnisse dieser „Korridorstudie Mittelrhein“ sind vor
kurzem auf den Internetseiten des BMVI veröffentlicht worden:
www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/korridor-mittelrhein.html.
Im Schlussbericht zu der Studie wird unter anderem die sogenannte „große
Pfalzlösung“, also der Ausbau der Schienenstrecken Bingen–Hochspeyer–Neustadt
(Weinstr.) –Landau–Karlsruhe in Kapitel 8 „Ertüchtigung der Bestandsstrecken
Bingen–Hochspeyer–Karlsruhe als Alternative zur NBS Rhein/Main–Rhein/Neckar“
auf den Seiten 148ff. behandelt. Im Ergebnis wird der Ausbau dieser
Schienenstrecken verworfen.
Auch in einer Präsentation der Ergebnisse der Mittelrheinstudie wird unter Nr. 16
„Überprüfung von Alternativen zum Zielnetz für den Zentral- und Südkorridor“ auf den
Folien 25 und 26 die „große Pfalzlösung“ verworfen. Es wird darauf hingewiesen,
dass in den Untersuchungen der Mittelrheinstudie auch die „kleine Pfalzlösung“ mit
einem Ausbau der Route Schifferstadt–Germersheim–Wörth analog dem Ergebnis
zur „großen Pfalzlösung“ verworfen wurde.
Dieses Ergebnis der Untersuchung wird in den BVWP 2015 einfließen. Der BVWP ist
Grundlage für die im Anschluss vom Deutschen Bundestag zu verabschiedenden
Ausbaugesetze und Bedarfspläne.
Derzeit ist ausschließlich die Dammerstocker Kurve Bestandteil des geltenden
Bedarfsplans für die Bundesschienenwege. Zur Dammerstocker Kurve führt der
Ausschuss aus, dass diese der wesentliche Bestandteil der „kleinen Pfalzlösung“ ist,
denn sie würde Durchgangsverkehre ohne einen aufwendigen
Fahrtrichtungswechsel in Karlsruhe möglich machen. Weitere Maßnahmen könnten
möglicherweise notwendig werden, wenn tatsächlich Güterzüge diese
Streckenführung nach Bau der Dammerstocker Kurve nutzen würden. Bestandteil
der „kleinen Pfalzlösung" ist daher auch eine Blockverdichtung Germersheim —
Wörth, die kürzere Zugabstände in diesem Bereich ermöglicht. Außerdem ist der Bau
von Synchronisationsgleisen in Ludwigshafen (Rhein) Hbf tief Teil der Maßnahme,
die die verschiedenen Verkehre in Ludwigshafen besser abwickelbar macht.
Inwieweit diese beiden Maßnahmen bei steigenden Güterzugzahlen auf der Strecke
Ludwigshafen — Schifferstadt — Germersheim — Wörth — Karlsruhe notwendig
wären, hat das BMVI nicht untersucht, da die „kleine Pfalzlösung“ wie bereits
erwähnt, verworfen wurde. Ob die Dammerstocker Kurve im neuen Bedarfsplan
enthalten sein wird, muss abgewartet werden.
Abschließend hält der Ausschuss fest, dass die anderen Maßnahmen der „kleinen
und der großen Pfalzlösung“ nicht Bestandteil des geltenden Bedarfsplans sind, so
dass derzeit eine Realisierung dieser Maßnahmen mit Bundesmitteln nicht möglich
ist.
Der Petitionsausschuss empfiehlt, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem
Anliegen, Kommunen, die an der Finanzierung von Bahnstrecken beteiligt waren,
einen Zustimmungsvorbehalt bei deren Umnutzung für andere Schienenverkehre zu
gewähren, nicht entsprochen werden konnte.
Begründung (pdf)