Gerichte - Akteneinsicht

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
645 Unterstützende 0 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

645 Unterstützende 0 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2009
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

08.06.2017, 13:01

Egbert Neuschulz Gerichte Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 17.06.2010 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte. Begründung

Mit der Petition wird gefordert: Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass alle
Bürger Deutschlands Akteneinsicht zu den sie betreffenden Verfahren an allen
deutschen Gerichten bekommen können, ohne dazu einen Anwalt heranziehen zu
müssen.

Der Petent trägt vor, dass dies sowohl zur Verfahrensbeschleunigung als auch zur
Senkung der Kosten beitrage und die Vorgänge in der Justiz für den Bürger
transparenter mache.

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Petenten wird auf die von ihm
eingereichten Unterlagen verwiesen.

Die Petition wurde als öffentliche Petition 6 Wochen ins Internet gestellt, von
645 Unterstützern mitgezeichnet, des Weiteren wurden 19 Diskussionsbeiträge
abgegeben.

Der Petitionsausschuss hat zu der Petition eine Stellungnahme beim zuständigen
Bundesministerium der Justiz BMJ eingeholt.

Unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:

Soweit der Petent ein Akteneinsichtsrecht für Gerichtsverfahren, von denen ein
Bürger selber betroffen ist, fordert, so entspricht dies bereits der geltenden
Rechtslage. Das Recht, Informationen aus Akten zu erhalten, kann aber wegen
zumindest gleichwertiger Schutzgüter nicht uneingeschränkt gewährt werden.

Für die jeweilige gesetzliche Ausgestaltung ist zwischen den verschiedenen
Verfahrensordnungen zu differenzieren:

1. Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess Für den Zivilprozess regelt § 299 der Zivilprozessordnung (ZPO) das Akten-
einsichtsrecht. In § 299 Absatz 1 ZPO wird Parteien eines Rechtsstreits das Recht
zur Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle sowie zum Erhalt von Abschriften etc.
bedingungslos gewährt. Hierfür besteht kein Anwaltszwang. Dritte Personen erhalten
gemäß § 299 Absatz 2 ZPO ohne Einwilligung der Parteien nur dann Akteneinsicht,
wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen können.

Die Vorschrift des § 299 ZPO gilt gemäß § 46 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes
(ArbGG) in den Verfahren vor den Arbeitsgerichten entsprechend.

2. Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit

In dem am 1. September 2009 in Kraft getretenen Gesetz über das Verfahren in
Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
bestimmt sich grundsätzlich die Akteneinsicht nach § 13 FamFG. Gemäß Absatz 1
können die Beteiligten die Gerichtsakten auf der Geschäftsstelle einsehen, soweit
nicht schwerwiegende Interessen eines Beteiligten oder Dritten entgegenstehen. Das
im Ausnahmefall entgegenstehende schwerwiegende Interesse liegt z. B. vor, wenn
die Kenntnis vom Inhalt eines psychiatrischen Gutachtens Gefahren für den
betroffenen Beteiligten darstellen würde oder wenn ein Aufenthaltsort in Fällen
häuslicher Gewalt unbekannt bleiben muss. Aber selbst in diesen Fällen ist dem
Beteiligten der Inhalt der Akten anderweitig (z. B. durch Auszüge oder schriftliche
Zusammenfassung) zur Kenntnis zu bringen, wenn dies zu einer adäquaten
Rechtsverfolgung erforderlich ist. Personen, die nicht am Verfahren beteiligt sind,
kann Akteneinsicht nur bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses gewährt
werden (§ 13 Abs. 2 FamFG).

Die allgemeine Regelung des § 13 FamFG wird ergänzt und teilweise ersetzt durch
Spezialregelungen im speziellen Teil des FamFG sowie Regelungen in weiteren
Gesetzen, wie zum Beispiel dem Bürgerlichen Gesetzbuch, dem Handels-
gesetzbuch, der Grundbuchordnung und dem Personenstandsgesetz. Je nachdem,
wie sensibel oder persönlich die erfassten Daten sind, ist eine Einsichtnahme Die Akteneinsicht unterliegt keinem Anwaltszwang.

teilweise an keine besonderen Voraussetzungen oder aber an ein berechtigtes
Interesse und sogar an die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses geknüpft.

Im Bereich der Verfahren in Familiensachen findet § 13 FamFG für Ehe- und
Familienstreitsachen keine Anwendung; er wird ersetzt durch die Spezialregelung
des § 113 Absatz 1 FamFG i. V. m. § 299 ZPO, dessen Regelungsinhalte bereits
oben dargestellt wurden.

3. Ermittlungs- und Strafverfahren

In der Strafprozessordnung (StPO) wird zwischen dem Akteneinsichtsrecht des
Verletzten (Opfers) und dem Einsichtsrecht des Beschuldigten beziehungsweise
Angeklagten differenziert:

Die Akteneinsicht des Verletzten richtet sich nach § 406e StPO. Nach § 406e
Absatz 1 StPO kann für den Verletzten ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht
vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen
wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür
ein berechtigtes Interesse darlegt. § 406e Absatz 5 StPO regelt, dass dem Verletzten
Auskünfte und Abschriften aus den Akten erteilt werden können, soweit er hierfür ein
berechtigtes Interesse darlegt.

Die Regelungen betreffend die Akteneinsicht für Beschuldigte im Strafverfahren nach
§ 147 StPO enthalten vergleichbare Vorschriften.

Nach § 147 Absatz 1 StPO ist der Verteidiger befugt, die Akten, die dem Gericht
vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären,
einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. Nach Absatz 2
der Vorschrift kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne
Aktenstücke versagt werden, wenn sie den Untersuchungszweck gefährden kann
und der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt ist. Nach § 147
Absatz 7 StPO können dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, Auskünfte
und Abschriften aus den Akten erteilt werden, soweit nicht der Untersuchungszweck
gefährdet werden könnte und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter
entgegen stehen. 4. Verfahren vor den Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichten

Für
das
verwaltungsgerichtliche
Verfahren
sieht
§ 100
Absatz 1
der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vor, dass die Beteiligten die Gerichtsakten und
die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen können. Entsprechende Regelungen
finden sich auch für das sozialgerichtliche und das finanzgerichtliche Verfahren.
Nach § 120 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) haben die Beteiligten
grundsätzlich das Recht der Einsicht in die Akten, nach § 78 Absatz 1 der
Finanzgerichtsordnung können die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht
vorgelegten Akten einsehen. Beteiligte sind nach §§ 63 VwGO, 69 SGG und 57 des
Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter anderem
der Kläger, der Beklagte und der Beigeladene. Die Beteiligten können das
Einsichtsrecht persönlich wahrnehmen, ein Anwalt ist dafür nicht erforderlich.

Wie die Ausführungen zeigen, gewähren bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage
alle Verfahrensordnungen, bis auf das Strafrecht, den unmittelbar Betroffenen
grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht, ohne dass ein Rechtsanwalt dafür
beauftragt werden muss. Im Strafverfahrensrecht sind entsprechende direkte
Ansprüche der Betroffenen als Ansprüche auf Auskünfte und Abschriften aus den
Akten ausgestaltet.

Der Petitionsausschuss hält die Entscheidung des Gesetzgebers, die unmittelbare
Ausübung des Akteneinsichtsrechts für das Straf- und Ermittlungsverfahren auf den
Rechtsbeistand/den Verteidiger zu beschränken und dem Verletzten sowie den
Beschuldigten/Angeklagten selbst einen Anspruch auf Auskünfte und Abschriften aus
den Akten zu gewähren, für sachgerecht, weil diese derart gestufte Gestaltung
sowohl
den
besonderen
Bedürfnissen
der
Aktensicherung
als
auch
datenschutzrechtlichen Belangen dient. Gerade Strafverfahrensakten enthalten eine
Vielzahl von personenbezogenen Daten, die in der Regel sensibel sind. Der Schutz
dieser Informationen hat daher im Strafverfahren einen besonders hohen Stellenwert.
Der Anwalt soll die den Akten entnommenen Erkenntnisse unter Berücksichtigung
persönlichkeitsrechtlicher Interessen Dritter, über die sich Erkenntnisse in den Akten
befinden, filtern und nur diejenigen Erkenntnisse an den Verletzten weitergeben, die
dieser zur Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen benötigt (vgl. Hilger in
Löwe-Rosenberg, 25. Auflage, § 406e StPO, Randnummer 4). Zudem kann nach
§ 406e Absatz 3 StPO die Akteneinsicht unter der Überlassung der Akte in die Büroräume des Rechtsanwalts erfolgen; nur dieser kann als Organ der Rechtspflege
den sorgsamen Umgang damit gewährleisten.

Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.


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