Rehabilitierung von Bürgern der ehemaligen DDR - Haftzeiten wegen Fahnenflucht

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
390 Unterstützende 390 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

390 Unterstützende 390 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2011
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

29.08.2017, 16:46

Michael FriedrichRehabilitierung von Bürgern der
ehemaligen DDR
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 08.11.2012 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, die in der DDR erfolgten Haftzeiten wegen
Fahnenflucht im schweren Fall im Rahmen des Rehabilitierungsverfahrens
ausnahmslos anzuerkennen.
Zur Begründung trägt der Petent vor, dass Personen, die in der DDR den Mut
aufbrachten, Fahnenflucht zu begehen und in den Westen fliehen wollten, mit
Zuchthaus bestraft worden seien, wenn die Flucht misslungen sei. Nach der
Haftstrafe sei man als Vaterlandsverräter und Verbrecher behandelt worden.
Personen, denen die Flucht gelungen sei, seien dagegen nie von einem Gericht
dafür verurteilt worden. Dabei sei Fahnenflucht auch in der Bundesrepublik
Deutschland ein Straftatbestand. Die Nationale Volksarmee, die auch noch Männer
im 27. Lebensjahr zum Grundwehrdienst und Wehruntaugliche eingezogen habe,
könne man nicht mit der Bundeswehr gleichsetzen. Deutschland habe ein
Grundgesetz, nach dem alle Menschen gleich sein sollten, nur bei den
Rehabilitierungen sei dies nicht der Fall. Er fordere daher, die Haftzeiten wegen
Fahnenflucht in jedem Fall anzuerkennen und zu rehabilitieren.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 390 Mitzeichnern unterstützt.
Außerdem gingen 104 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe eine Stellungnahme des
Bundesministeriums der Justiz eingeholt. Unter Einbeziehung der Stellungnahme
lässt sich das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung wie folgt zusammenfassen:

Den Straftatbestand der Fahnenflucht hat der Gesetzgeber bewusst nicht in den
Regelaufhebungskatalog des § 1 Absatz 1 des Strafrechtlichen
Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG) aufgenommen. Er ist davon ausgegangen,
dass die Fahnenflucht überwiegend kein politisches Delikt war (vgl. Bericht des
Rechtsausschusses zu § 1 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe g StrRehaG, BT-
Drucksache 12/2820, S. 28). Sollten bestimmte Umstände eine andere Beurteilung
nötig machen, kann im Rahmen der Einzelfallprüfung über die allgemeine Regelung
des § 1 Absatz 1 StrRehaG rehabilitiert werden. Die Rehabilitierung kommt vor allem
dann in Betracht, wenn die Fahnenflucht im engen Zusammenhang mit der im
Regelaufhebungskatalog genannten Wehrdienstverweigerung steht (vgl. § 1 Absatz
1 Nummer 1 Buchstabe g StrRehaG) und aus Gewissensnot bzw. Ablehnung des
Regimes begangen wurde. In diesen Fällen erhält die Verurteilung – wie in den
Fällen der Wehrdienstverweigerung – einen politischen Charakter.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Nichtaufnahme des
Straftatbestands der Fahnenflucht in den Regelaufhebungskatalog des § 1 Absatz 1
StrRehaG bestätigt (vgl. Urteil vom 7. Dezember 1999, Az. 2 BvR 1533/94). Nach
Auffassung des Gerichts hatte der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der
strafrechtlichen Rehabilitierung einen weiten Gestaltungsspielraum. Verurteilungen
der DDR-Gerichte wegen Fahnenflucht missachteten – so das BVerfG – in der Regel
nicht die in der Völkergemeinschaft anerkannten Menschenrechte in
schwerwiegender Weise. Der Gesetzgeber durfte daher zwischen
Wehrdienstentziehung und Wehrdienstverweigerung einerseits, wo politische
Verfolgung vermutet wird (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe g StrRehaG), und
Fahnenflucht andererseits unterscheiden, wo eine Rehabilitierung nur im Einzelfall
über die Generalklausel des § 1 Absatz 1 StrRehaG bei Nachweis entsprechender
Umstände möglich ist.
Im Rahmen der Einzelfallprüfung differenziert die Rechtsprechung wegen der
unterschiedlichen Aufgabenstellung zwischen Angehörigen der Grenztruppen und
anderer Truppenteile der Nationalen Volksarmee. Die Verurteilung eines
Angehörigen der Grenztruppen wegen Fahnenflucht ist mit wesentlichen
Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung im Sinne des § 1 Absatz
1 StrRehaG grundsätzlich unvereinbar. Auf Angehörige anderer Truppenteile sind
diese Grundsätze aber nicht ohne weiteres übertragbar. Denn trotz fehlender
Rechtsstaatlichkeit kam der DDR als souveränem Staat das Recht zu, eine Armee zu
bilden und deren Funktionsfähigkeit auch strafrechtlich abzusichern.

Der Petitionsausschuss hält daher die geltende Rechtslage für sachgerecht und
vermag sich nicht für eine Änderung im Sinne der Petition auszusprechen.
Er empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht
entsprochen werden konnte.

Begründung (PDF)


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