10.06.2016, 04:25
Pet 3-17-17-312-050125
Strafverfahren
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 02.06.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Die Petition
a) der Bundesregierung – dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend (BMFSFJ) – als Material zu überweisen, soweit deren Verhandlungen mit
den Bundesländern zur Beteiligung am Ergänzenden Hilfesystem betroffen sind,
b) den Landesvolksvertretungen zuzuleiten.
Begründung
Der Petent möchte erreichen, dass juristische Personen wie Kirchen, Schulen,
Sportvereine und Heime Zahlungen in einen Hilfsfonds leisten, damit Opfer von
sexuellem Missbrauch finanzielle Hilfe erhalten können.
Er führt aus, dass schnell und unbürokratisch geholfen werden müsse, ohne dass die
Betroffenen jahrelange Rechtsstreitigkeiten führen müssen. Zum Vergleich führt er
an, dass auch Firmen verpflichtet seien, Zahlungen an Berufsgenossenschaften zu
leisten, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ggf. Hilfeleistungen erhalten, wenn sie
von Berufskrankheiten betroffen sind.
Es handelt sich um eine öffentliche Petition, die auf den Internetseiten des
Deutschen Bundestages veröffentlich und diskutiert wurde. 262 Mitzeichnende
haben das Anliegen unterstützt. Der Petitionsausschuss hat im Rahmen seiner
parlamentarischen Prüfung der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu dem Anliegen darzulegen. Die Prüfung des Petitionsausschusses hatte unter
Berücksichtigung der Ausführungen der Bundesregierung das im Folgenden
dargestellte Ergebnis:
Anfang des Jahres 2010 haben viele Betroffene sexuellen Missbrauchs mutig ihr
Schweigen gebrochen und über das Unrecht, das sie in ihrer Kindheit und Jugend
erlitten haben, öffentlich gesprochen.
Daraufhin wurde durch einen Bundeskabinettbeschluss im Frühjahr 2010 der Runde
Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in
privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ (RTKM)
einberufen. Dieser hat unter der Leitung der damaligen Ministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend Dr. Kristina Schröder, der damaligen Justizministerin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der damaligen Ministerin für Bildung und
Forschung Prof. Annette Schavan bis Ende 2011 getagt. Für die Fälle von erlittenem
sexuellem Missbrauch haben die Mitglieder des Rundes Tisches in seinem
Abschlussbericht die Errichtung eines ergänzenden Hilfesystems (EHS) zur
Unterstützung Betroffener empfohlen.
Dieses Hilfesystem soll sich auf Fälle aus der Vergangenheit beschränken und
insbesondere der Unterstützung derjenigen Betroffenen dienen, deren
Schadensersatzansprüche bereits verjährt sind und die folglich keine rechtliche
Entschädigung von den Tätern und Täterinnen mehr erhalten können. Für eine
Übergangszeit von 3 Jahren sollen Sachleistungen, die das Leid der Betroffenen
mildern, wie z. B. Therapien, finanziert werden. Vorrangig sind zunächst die
gesetzlichen Hilfesysteme in Anspruch zu nehmen.
An diesem EHS sollen sich gemäß den Empfehlungen der Mitglieder des Runden
Tisches gegen Kindesmissbrauch der Bund, die Länder und die am Runden Tisch
beteiligten privaten Institutionen, die Kirchen, Wohlfahrtsverbände, der Sport und der
Verband deutscher Privatschulen beteiligen.
Im Mai 2013 ist der Fonds Sexueller Missbrauch als erster Teil des EHS gestartet
(www.fonds-missbrauch.de). Betroffene sexueller Gewalt im familiären Bereich
können aus diesem Fonds Leistungen für die Linderung von Folgeschäden erhalten.
Diese Hilfen sind nach den Ausführungen der Bundesregierung eine Anerkennung
des Leidens der Betroffenen, das erst dadurch entstanden ist, dass die Gesellschaft
wegschaute und Taten bagatellisierte. Die Bundesregierung hat in diesen Fonds
50 Mio. Euro eingezahlt und kommt damit ihrer gesamtgesellschaftlichen
Verantwortung nach.
Von den nichtstaatlichen Institutionen haben sowohl der Deutsche Caritasverband
e. V., das Deutsche Rote Kreuz e. V. als auch der Deutsche Olympische Sportbund
im Frühjahr/Frühsommer 2015 die Vereinbarungen zur Beteiligung am EHS im
institutionellen Bereich unterzeichnet. Weiterhin liegt dem Deutschen
Kinderschutzbund ein unterzeichnungsreifer Entwurf der Vereinbarung vor (Stand
02.10.2015). Der Deutsche Kinderschutzbund ist eigenständig mit dem Wunsch der
Beteiligung am EHS auf den Bund zugekommen. Die Bundesregierung hat mitgeteilt,
dass sich mittlerweile 7 große nichtstaatliche Institutionen am EHS beteiligen. Neben
den bereits genannten handelt es sich um die evangelische Kirche einschließlich der
Diakonie e. V., die katholische Kirche und die Deutsche Ordensobernkonferenz.
Entgegen den Erwartungen des Bundes hinsichtlich der Länderbeteiligung am EHS
ist der erforderliche Ministerpräsidentenbeschluss Ende des Jahres 2014 nicht
zustande gekommen. Bundesministerin Schwesig hat hierauf reagiert und mit der
Versendung ihrerseits unterzeichneter Vereinbarungen jedes Bundesland einzeln
dazu aufgefordert, künftig die Arbeitgeberverantwortung für sexuellen
Kindesmissbrauch in staatlichen Institutionen auf dem jeweiligen Gebiet zu
übernehmen. Diesem Aufruf zur Beteiligung am EHS sind bislang 6 Länder gefolgt.
Es handelt sich um die Freie und Hansestadt Hamburg, die Länder Schleswig-
Holstein, Berlin und Baden-Württemberg sowie den Freistaat Sachsen und den
Freistaat Bayern. Anträge Betroffener, die sexuellen Missbrauch in den dortigen
staatlichen Institutionen erlitten haben, können nunmehr bearbeitet werden. Bereits
am 28. November 2013 hatte das Land Mecklenburg-Vorpommern 1,03 Mio. Euro in
den Fonds eingezahlt. Die Bundesregierung hat mitgeteilt, dass davon ausgegangen
wird, dass in Folge formal notwendiger Beschlussfassungen durch die jeweiligen
Kabinette/Ministerräte die Vereinbarungen noch durch weitere Länder unterzeichnet
werden.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, die Petition dem BMFSFJ als Material für
die Verhandlungen zur Beteiligung am EHS zu überweisen und den
Landesvolksvertretungen zuzuleiten.
Begründung (pdf)