Zwar hat der Bundespräsident vor allem eine repräsentative Funktion, doch kommt ihm auch eine wichtige Rolle im Gesetzgebungsverfahren zu. Er prüft jedes Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit, bevor er es ausfertigt. Wenn er Zweifel hat, kann er die Ausfertigung verweigern und so die Inkraftsetzung eines Gesetzes verhindern.
In der Vergangenheit wurden immer wieder Gesetze vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, die zuvor vom Bundespräsidenten unterzeichnet wurden. Dies wirft die Frage auf, ob die Prüfpflicht des Amtes immer mit der gebotenen Sorgfalt wahrgenommen wurde.

Solange eine Wiederwahl des Bundespräsidenten von den politischen Mehrheiten im Bundestag und in den Länderparlamenten abhängt, besteht die Gefahr, dass das Staatsoberhaupt bei der Gesetzesprüfung politische Rücksicht nimmt. Das Verfahren der Bundesversammlung bietet aus Sicht vieler Bürger keine ausreichende demokratische Transparenz. Die Parteien laden Delegierte ein, die ihnen politisch nahestehen, sodass die Zusammensetzung der Bundesversammlung oft die Kräfteverhältnisse im Bundestag widerspiegelt und echte gesellschaftliche Vielfalt nicht ausreichend berücksichtigt wird.

Wenn wir mehr direkte Demokratie und unabhängigere Spitzenämter wollen, sollte das Wahlverfahren des Bundespräsidenten reformiert werden. Eine Direktwahl durch das Volk wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung.