28.07.2025, 04:24
Hallo Leute,
wir haben heute per Post den "Abschluss" des Petitionsantrags erhalten. Der Ausschuss verweist zur Ablehnung unseres Anliegens – die Anhebung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für Kleinkrafträder bis 50 ccm bzw. 4 kW von 45 km/h auf 60 km/h – im Wesentlichen auf folgendes Argument:
> Die Fahrerlaubnisklassen sind durch die 3. EU-Führerscheinrichtlinie harmonisiert. Eine nationale Abweichung, also etwa eine Änderung der Höchstgeschwindigkeit in der Klasse AM, sei daher nicht möglich. Deshalb sehe man keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.
### Gegenargumente zur Entscheidung des Petitionsausschusses
#### 1. **EU-Führerscheinrichtlinie definiert keine absolute Höchstgeschwindigkeit für Klasse AM**
Die 3. EU-Führerscheinrichtlinie (2006/126/EG) legt für die Klasse AM keine verbindliche Obergrenze von 45 km/h fest, sondern überlässt den Mitgliedstaaten Spielräume. In Artikel 4 Absatz 2 (h) heißt es:
> „Krafträder mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von **nicht mehr als 45 km/h**, \[...]“ – aber:
> Die Richtlinie verbietet es nicht, dass einzelne Mitgliedstaaten national alternative Regelungen erlassen, wie z. B. eine differenzierte Behandlung alter Fahrzeuge oder Übergangsregelungen.
#### 2. **DDR-Mopeds wie die Schwalbe dürfen bis zu 60 km/h fahren – und das legal**
In Deutschland gibt es bereits Ausnahmen zur 45-km/h-Grenze: Für Kleinkrafträder, die vor dem 1. Januar 2002 erstmals in Verkehr kamen, gilt Bestandsschutz. Dies betrifft insbesondere Mopeds aus der DDR (z. B. Simson S51, KR51/2 Schwalbe), die mit bis zu 60 km/h fahren dürfen – mit einer Fahrerlaubnis Klasse AM.
Das bedeutet:
* Es existiert **de facto** eine Zweiklassengesellschaft innerhalb der Klasse AM.
* Ein Simson-Fahrer mit AM darf 60 km/h fahren, ein moderner 50-ccm-Roller jedoch nur 45 km/h – **trotz gleicher Fahrzeugklasse und Führerschein**.
* Dies ist weder verkehrssicher noch nachvollziehbar und benachteiligt insbesondere junge Fahrer in Westdeutschland.
#### 3. **Andere EU-Staaten haben abweichende Regelungen**
Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass die 45-km/h-Grenze keineswegs überall strikt gilt. Beispiele:
* **Frankreich** erlaubt bei AM-zugelassenen Leichtfahrzeugen bis 50 ccm faktisch bis zu 50 km/h.
* **Italien** toleriert auch höhere Toleranzen bei Prüfstandswerten.
* **Österreich** hatte lange 50 km/h als Richtwert.
Der Verweis auf eine "unveränderbare" EU-Richtlinie ist also **nicht stichhaltig**, wenn andere Mitgliedstaaten ebenfalls nationale Auslegungen oder Toleranzen nutzen.
#### 4. **Sicherheitstechnisch wäre 60 km/h sinnvoll**
* Die aktuelle 45-km/h-Grenze führt im fließenden Verkehr zu erheblichen **Geschwindigkeitsdifferenzen**, insbesondere auf Landstraßen und innerstädtischen Hauptstraßen.
* Diese Differenz ist **eine Hauptursache für gefährliche Überholmanöver** und gefährdet Rollerfahrer unnötig.
* Fahrzeuge mit 60 km/h könnten sich **besser im Verkehr integrieren**, ohne gleich unter die nächste Fahrerlaubnisklasse zu fallen.
#### 5. **Eine Anhebung auf 60 km/h wäre ohne EU-Verstoß machbar – mit nationaler AM+ Regelung**
Eine denkbare Lösung: Einführung einer zusätzlichen nationalen Fahrerlaubnisvariante wie „AM+“, analog zu bestehenden Sonderregelungen wie dem Mofa-Führerschein (§6 FeV Absatz 1 Nummer 4).
Beispielhafte Lösung:
* AM = max. 45 km/h wie bisher (europaweit gültig)
* AM+ = national gültig, für 50-ccm-Roller mit bis zu 60 km/h, Erwerb z. B. mit 16 Jahren
Dadurch wäre sowohl die **EU-Konformität** als auch die **Verkehrsrealität** abgebildet – ohne Eingriff in die harmonisierten Führerscheinklassen.
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### Fazit:
Die Ablehnung der Petition mit Verweis auf die EU-Richtlinie greift zu kurz. Es gibt **bestehende Ausnahmen** (z. B. DDR-Mopeds), **nationale Handlungsspielräume** (z. B. Einführung einer AM+ Variante), und **verkehrstechnische wie sicherheitspolitische Gründe**, die für eine moderate Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit sprechen. Die Ungleichbehandlung alter und neuer Fahrzeuge innerhalb derselben Führerscheinklasse ist sachlich nicht gerechtfertigt und benachteiligt insbesondere junge Fahrer ohne Altfahrzeug-Zugang.
Das Rechtsmittel ist somit ausgeschöpft. Gefragt wären jetzt Lobbyverbände wie der Industrieverband Motorrad www.ivm-ev.de oder der ADAC. Die Begründung der Ablehnung ist dünn und zeugt davon, dass Leute hier entschieden haben, die nie auf einem Zweirad sitzen. Unsere Argumente erachten wir nach wie vor als Stichhaltig.
Hilf weiter mit, schreib deinen Bundestagsabgeordneten an, der will ja wiedergewählt werden. Wir haben bei uns im Blog das Thema nochmal ausführlich beleuchtet und ein Musterschreiben: www.sip-scootershop.com/de/blog/petition-fur-angepasste-geschwindigkeit-von-kleinkraftradern-abgelehnt_p4768
Danke!
Beste Grüße vom SIP Scootershop Team