Die Bauwirtschaft ist mit ca. 870.000 Beschäftigten und einem Bruttoinlandsprodukt von 5,6% im Jahr 2019 eine der größten Branchen in Deutschland (Bauindustrie, 2019). Sie zählt jedoch auch zu den Branchen mit dem höchsten Ressourcenverbrauch. In Deutschland wurden im Jahr 2018 ca. 608 Millionen Tonnen mineralischer Rohstoffe abgebaut (Bundesanstalt für Geowissenschaften, 2018). Gleichzeitig sind mineralische Bauabfälle mit rund 215 Millionen Tonnen der größte Abfallstrom in Deutschland (>50% des gesamten Abfallaufkommens) (Kreislaufwirtschaft Bau, 2016). Die immer kürzer werdenden Zyklen von Abbruch und Umbau verstärken diese Tendenzen.
Trotz der enormen Mengen an Bauschutt werden in Bayern jährlich ca. 85 Millionen Tonnen Sande und Kiese abgebaut (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, 2017). Dies führt jährlich zu einem Flächenverbrauch von rund 900 ha im Jahr, was einer Fläche von ca. 1.260 Fußballfeldern entspricht (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, 2017). Zudem werden in Bayern 54,4 % der mineralischen Bau- und Abbruchabfällen in Gruben und Brüchen verfüllt und lediglich 22,3 % recycelt (Baustoff Recycling Bayern, 2016).
Derzeit ist die Ausbeutung von Primär-Rohstoffen (wie z.B. Kies) privilegiert. Das bedeutet, privilegierte Bauvorhaben sind im Außenbereich nach dem Willen des Gesetzgebers bevorrechtigt zulässig, wenn eine ausreichende Erschließung gesichert ist und keine öffentlichen Belange entgegenstehen (Bayerische Staatskanzlei, 2017). Die Besonderheit bei privilegierten Bauvorhaben liegt darin, dass das „Entgegenstehen“ als schwerwiegender einzustufen ist als „bloße Beeinträchtigung“, die bei sonstigen Bauvorhaben ausreichend ist. Dies macht es nahezu unmöglich, ein privilegiertes Bauvorhaben abzulehnen.
Als Resultat müssen Gemeinden hilflos der Ausbeutung von Primär-Rohstoffen und der oftmals danach folgenden Wiederbefüllung mit Bauschutt zusehen. Dieser Vorgang geht oftmals einher mit Beeinträchtigungen der Umwelt (wie z.B. Verunreinigung des Grundwassers, Emissionsbelastung, Waldrodung, Zerstörung der Kulturlandschaft, etc.).
Eine Privilegierung der Ausbeutung von Primär-Rohstoffen setzt funktionierende Marktmechanismen und Innovationsanreize außer Kraft und verhindert somit den Druck auf die Entwicklung besserer Recyclingtechnologien – obwohl diese aus Klimaschutz- und Umweltgesichtspunkten längst essentiell sind.
Die Verwendung nachwachsender Baustoffe (z.B. Holz) oder ein Recycling der Baumaterialien vor Ort würde die Ökobilanz deutlich verbessern. So zeigt ein Modellprojekt unter dem Motto »Bauen statt deponieren« auf dem Gelände der Bayernkaserne in München, dass das Recycling von Beton mit 100 % rezyklierter Gesteinskörnung für neue Betonkonstruktionen bereits möglich ist (Hochschule München, 2020). Stattdessen wird der Schutt vieler abgebrochenen Häuser mit dem Lkw in ausgeräumte Kiesgruben gekarrt, sodass die Kapazität von Schuttdeponien bereits jetzt weitgehend erschöpft ist. Gleichzeitig werden kontinuierlich neue Kiesgruben dank der Privilegierung genehmigt und Tonnenweise neuer Sand und Kies abgebaut – mit erschreckender CO2-Bilanz.
Dieser Prozess ist das Gegenteil einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, daher fordern wir die Abschaffung der Priviligierung des Abbaus von Primärrohstoffen.
Verwendete Quellen: (alle abgerufen am 01.11.2020)
1 Bauindustrie (2019): Wichtige Baudaten. URL: https://www.bauindustrie.de/media/documents/Bauindustrie-Wichtige-Baudaten-2019_V4FHX3y.pdf
2 Baustoff Recycling Bayern (2016): Baustoffrecycling in Zahlen. URL: https://www.baustoffrecycling-bayern.de/baustoffrecycling/zahlen-fakten
3 Bayerische Staatskanzlei (2017): Privilegierte Vorhaben im Außenbereich. URL: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVV_2130_0_I_1216-11?AspxAutoDetectCookieSupport=1
4 Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (2017): Einsatz von mineralischen Recycling-Baustoffen im Hoch- und Tiefbau. URL: https://www.bvse.de/images/news/Mineralik/2017/04-11_Broschüre_Einsatz_von_mineralischen_Recycling-Baustoffen_im_Hoch-_und_Tiefbau.pdf S.4.
5 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2018). Deutschland- Rohstoffsituation 2018. URL: https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Min_rohstoffe/Downloads/rohsit-2018.pdf?__blob=publicationFile&v=5 S.6.
6 Hochschule München (2020): Betonrecycling: Bauen statt Deponieren. URL: https://www.hm.edu/studierende/aktuelles_1/veranstaltungen_1/veranstaltung_detailseite_168000.de.html
7 Kreislaufwirtschaft Bau (2016): Mineralische Bauabfälle Monitoring 2016. URL: http://kreislaufwirtschaft-bau.de/Arge/Bericht-11.pdf S. 6.