Petition richtet sich an:
Herr Senator Mario Czaja, Senator für Gesundheit und Soziales, Herr Peter Zühlsdorff, Aufsichtsratsvorsitzender von Vivantes, Herr Senator Dr. Ulrich Nußbaum, Senator für Finanzen, die weiteren Damen und Herren des Aufsichtsrates von Vivantes
Der Berliner kommunale Krankenhauskonzern Vivantes (Eigentümer ist das Land Berlin) beabsichtigt, aus betriebswirtschaftlichen Gründen gravierende Maßnahmen zu ergreifen, durch die die Psychiatrischen Kliniken von Vivantes empfindlich getroffen würden: nämlich die Ausgliederung der therapeutischen Berufsgruppen (Ergo-, Musik-, Kunst-, Tanz-, Physiotherapie und Logopädie) in eine Tochtergesellschaft. Der Vergleich mit einer Leiharbeitsfirma drängt sich auf. Die für die Psychiatrie negative Tragweite dieser geplanten Maßnahme wird unserer Meinung nach völlig unterschätzt. Deswegen dieser eindringliche Appell: Keine Ausgliederung der psychiatrischen Therapeuten bei Vivantes! Wir sind gegen jegliche Ausgliederung, auch in der Somatik. Da die Psychiatrie aber von spezifischen Arbeitszusammenhängen geprägt ist, haben wir uns zu dieser psychiatriebezogenen Petition entschlossen.
Und das sind die Hintergründe: In Deutschland werden innerhalb eines Jahres etwa 1 Million Menschen mit psychischen Erkrankungen in Krankenhäusern behandelt. Der Anteil der psychischen Erkrankungen an allen Krankschreibungen hat sich seit dem Jahr 2000 etwa verdoppelt. Das Thema betrifft direkt und indirekt alle: Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren, Alleinstehende, Partnerschaften und Familien. In Berlin werden etwa 50 Prozent der Krankenhauspatienten, die wegen psychischer Erkrankungen Hilfe suchen, in Vivantes-Psychiatrien behandelt (stationär, teilstationär und ambulant).
In der Regel kann man sich eine stationäre Behandlung so vorstellen, dass ein Patient von einem Team behandelt wird: dazu gehören Ärzte, Pflegepersonal, Sozialarbeiter_innen sowie die Fachtherapeut_innen aus den Bereichen Ergo-, Musik-, Kunst-, Tanz-, Physiotherapie und Logopädie.
Nun funktioniert psychiatrische Behandlung nicht so, dass man die verschiedenen Komponenten der einzelnen Berufsgruppen unverbunden einfach addiert, sondern nur ein gut aufeinander abgestimmtes, vernetztes Vorgehen macht einen Behandlungserfolg überhaupt erst möglich. Des Weiteren bedarf es einer verlässlichen, konstanten therapeutischen Beziehung zwischen Patient und Mitarbeiter. Nur wenn der Patient die Möglichkeit hat, täglich auf dieselben Mitarbeiter zu treffen und nicht mit ständig wechselndem Personal zu tun hat, kann er Vertrauen fassen und die Behandlung kann gelingen. Nicht selten nimmt für manche Patienten ihre psychische Erkrankung einen so schweren Verlauf, dass ein komplexer Behandlungsbedarf entsteht. Für diese Patienten wechseln sich Phasen stationärer und ambulanter Versorgung ab. Dafür brauchen sie Behandlungs- und Beziehungskontinuität, auch über den mehrfachen Wechsel zwischen stationärem und ambulantem Status hinweg (sektorenübergreifend). Das geht aber nur mit festen Mitarbeiter_innen, die zum Mutterkonzern gehören und nicht mit ausgelagerten Fachtherapeut_innen einer Tochtergesellschaft.
Begründung
In einer zeitgemäßen Psychiatrie arbeiten Fachtherapeut_innen, die über ihren Tellerrand gucken können. Neben ihrer fachspezifischen Expertise verfügen sie zusätzlich über allgemeinpsychiatrische Kompetenzen und über die Bereitschaft, diese auch einzubringen, wann immer es erforderlich ist: Deeskalieren in aggressiv-angespannten Situationen, Klären, Vermitteln, Zuhören, Antworten geben, Gespräche führen. Das ist moderne Psychiatrie, bei der alle Berufsgruppen Hand in Hand zusammenarbeiten - anders sind psychiatrische Patienten mit schweren Krankheitsverläufen auch gar nicht zu behandeln. Funktionieren kann das Ganze aber nur mit festen Mitarbeiter_innen und nicht mit ausgelagerten Fachtherapeut_innen. Ausgegliederte Therapeut_innen einer Tochtergesellschaft werden schlechter bezahlt und ausgegrenzt. Das führt zu sinkender Motivation, sinkender Identifikation mit Klinik und Behandlungskonzept und insgesamt zu einer Verschlechterung der Behandlungsqualität für unsere psychiatrischen Patienten. Das kann nicht gewollt sein!
Ausgliederung untergräbt den Teamzusammenhalt, der die Basis jeder guten psychiatrischen Behandlung ist. Ausgliederung zerstört psychiatrische Behandlungsstrukturen, die in jahrelanger Arbeit mühsam aufgebaut wurden und tagtäglich gehegt und gepflegt werden. Ausgliederung steht im Widerspruch zum Wesen moderner psychiatrischer Behandlung. Unter anderen haben die folgenden Psychiatrische Kliniken ihre therapeutischen Mitarbeiter_innen nicht ausgegliedert: Psychiatrische Universitätsklinik der Charité, Mitte
Psychiatrische Universitätsklinik im St. Hedwigs Krankenhaus Psychiatrische Klinik Alexianer Berlin Krankenhaus Hedwigshöhe. Im Falle der Nicht-Ausgliederung befände sich Vivantes also in guter Gesellschaft.
Deswegen appellieren wir eindringlich an Sie, Herr Senator Mario Czaja, Senator für Gesundheit und Soziales, Herr Peter Zühlsdorff, Aufsichtsratsvorsitzender von Vivantes, Herr Senator Dr. Ulrich Nußbaum, Senator für Finanzen, die weiteren Damen und Herren des Aufsichtsrates von Vivantes:
Stoppen Sie Ihre Pläne zur Ausgliederung der therapeutischen Berufsgruppen in den Psychiatrien von Vivantes! Setzen sie sich ein für den Erhalt der Behandlungsqualität in den Psychiatrischen Kliniken von Vivantes!
Im Namen aller UnterzeichnerInnen
Berlin, 11.9.2014